Sommerrot
aus der Kabine, sobald sich die Tür öffnet. Bei der Polizei gelingt es mir, mit Hilfe der Polizistin am Computer, ein recht treffendes Phantombild von Dr. Pflegert zu erstellen. Auf der Rückfahrt sitze ich wieder in Tinos Auto.
« Warum wollten sie, dass gerade ich das Phantombild anfertige? Alle anderen Mitarbeiter haben ihn doch auch gesehen.» Ich versuche möglichst beiläufig zu klingen und hoffe, dass er das leichte Zittern in meiner Stimme überhört. Er schaut mich kurz von der Seite an, dann blickt er wieder auf die Fahrbahn.
« Ich möchte noch nicht, dass alle Mitarbeiter davon erfahren. Ich will niemanden verunsichern. Erst wenn sich die Pleite als unvermeidlich herausstellt, werde ich die Mitarbeiter informieren.»
« Und mich kann man verunsichern?»
Er schweigt zun ächst. Ich spüre, wie er sich regelrecht dazu durchringen muss, fortzufahren.
« Ich muss zugeben, dass sie derzeit die Fäden der Firma in der Hand halten. Der Zustand der Konten wäre ihnen spätestens bei der nächsten Rechnung aufgefallen.»
« Das passt ihnen nicht!», stelle ich trocken fest.
Darauf bekomme ich keine Antwort.
Als wir in der Garage parken, bleibt Tino im Auto sitzen.
« Gehen sie schon mal vor, ich muss noch telefonieren!»
Verwundert blicke ich ihn an.
«Hier unten werden sie schwerlich Empfang bekommen!»
Doch er winkt mich wortlos fort und ich steige aus. Ich bin froh, nun alleine im Fahrstuhl zu stehen und der Verdacht steigt in mir auf, dass Tino vielleicht deshalb nicht mit mir hochfahren wollte, weil es ihm genauso geht. Was hat er nur gegen mich. Ob ich es wagen soll, ihn noch einmal darauf anzusprechen? Ich f ürchte mich davor. Was wenn es wieder in einem Wutanfall endet, wo ich doch im Augenblick froh bin, dass wir wenigstens normal miteinander reden können. In dem Moment, als ich oben ankomme, läuft mir Natalie mit kreidebleichem Gesicht fast in die Arme. Sie stürzt an mir vorbei zu den Toiletten. Ich höre, noch durch die Tür, wie sie sich übergibt. Oh je, eine Magen-Darm-Grippe, denke ich. Gerade als ich die Tür zu meinem Büro öffne, kommt Natalie zurück.
« Alles in Ordnung?», rufe ich über den Gang.
« Ja ja», antwortet sie hastig. «Nur eine Magenverstimmung!»
Warum ist sie so nerv ös? Als ich sie noch immer fragend mustere, verfinstert sich ihre Mine.
« Ist noch was?», fragt sie zornig.
Ich sch üttele den Kopf und verschwinde im Vorzimmer. Keine drei Minuten später kommt auch Tino herein. Das muss aber ein kurzes Telefonat gewesen sein, denke ich nicht ohne Hintergedanken.
« Wir benötigen eine Idee, einen Plan, wie wir die Firma retten können», sagt Tino, während er meine Augen fixiert. Ich weiß genau, was zu tun ist und hoffe inständig, Tino nimmt meine Ausführungen ernst.
« Wir müssen versuchen, so viel wie möglich von dem neuen Programm zu verkaufen, von dem ihr Vater so geschwärmt hat. Es erfordert keine Wartung und bildet perfekt alle Abläufe in einem Ingenieurbetrieb ab. Daher können Firmen ihre Kosten gegenüber herkömmlicher Software um die Hälfte reduzieren. Außerdem verfügt es bei der Installation über eine Art Datensaugmaschine, die die schon bestehenden Daten aus der alten Software extrahiert. Deshalb ist auch die Umstellung auf unser Produkt simpel und ohne zusätzlichen Arbeits- und Zeitaufwand zu bewerkstelligen. Wir haben alle Argumente auf unserer Seite und die Kunden werden uns das Produkt förmlich aus der Hand reißen.»
Tino starrt mit ge öffnetem Mund auf meine Lippen, als ich rede.
« Erstaunlich, wie gut sie sich damit auskennen!», platzt er fast gegen seinen Willen heraus. Ich stelle frustriert fest, dass er sein Kompliment sofort bereut, weil der Ausdruck in seinem Gesicht wieder grimmig wird. Verstehe einer diesen Mann!
« Darf ich fragen, aus welcher Fachrichtung sie kommen, Herr Angelus?»
« BWL», antwortet er knapp. Er kennt sich also mit Bilanzen und dem Innenleben einer Firma aus. Das erleichtert mich.
« Was halten sie davon, Frau Sommer, wenn wir eine große Veranstaltung planen, zu der wir die Kaufentscheider aller potentiellen Kunden einladen. Dort präsentieren wir das Produkt und schließen auch gleich die Kaufverträge ab. «
« Das klingt schon gut, aber wie wollen sie mit leeren Konten eine solche Veranstaltung bezahlen?»
« Mit Kreativität!», antwortet er und lächelt.
Ich kann kaum glauben, seit so langer Zeit wieder ein L ächeln in seinem Gesicht zu sehen. Leider ist es auch schon
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