Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
halten. Sie hat gewusst, dass sich jemand hier unten aufhält, der es gar nicht dürfte.“
„Und hat sie auch gesagt, wer es war?“
„Sie hatte keine Ahnung. Alles, was sie sagen konnte, war, dass es sich um ein seltsames Wesen handele, dessen Ausstrahlung einem das Blut in den Adern gefrieren ließe.“
„Aber sie weiß immer, was hier draußen vor sich geht“, erwiderte Bon überrascht.
„Offenbar hatte sich das vor einiger Zeit geändert.“
„Und was sollen wir jetzt tun?“, fragte Torra, die ihnen gefolgt war, hitzig. „Wenn ihre Mutter davon erfährt, können wir einpacken.“
„Dann soll es wohl so sein“, entgegnete Arrow emotionslos.
„Ist das dein Ernst? Du willst ihr davon berichten? Wenn du das tust, ist das unser aller Todesurteil!“ Sie funkelte Arrow zornig an. „Bisher habe ich dich immer für klug gehalten. Doch was du da vorhast, wird uns ins Verderben stürzen.“
Arrow erwiderte nichts. Torra forderte sie heraus. Sie wollte, dass sie sich ihrem Willen beugte und Elaines Tod vorerst für sich behielt. Und sie konnte ihr ihre Meinung nicht einmal übel nehmen, denn vermutlich lag sie richtig, dies würde das Ende bedeuten. Doch wozu es hinauszögern? Früher oder später würde Frau Perchta davon erfahren und diesen Verrat würde sie Arrow nie verzeihen. Die Angelegenheit zu vertuschen würde es nur schlimmer machen. Innerlich rang sie mit sich. Der Puka hatte recht gehabt. Gemessen an dem, was sie ab jetzt erwartete, war alles Vorherige ein Kinderspiel gewesen. Aber was sollte nach diesem Vorfall noch kommen? Der Tod? Arrow wollte nicht sterben und sie wollte auch nicht, dass es jemand anders tat. Sie wollte ihren Mann, Anne und ihren Bruder wiedersehen. Aber vor allem wollte sie ihr Kind aufwachsen sehen, und genau dieser Wunsch gab ihr den Anstoß, zu tun, was richtig war. Denn in ihr schlug ebenso sehr das Herz einer Mutter, wie es das auch in Frau Perchta tat, und ihr war es nie vergönnt gewesen, am Leben ihres Kindes richtig teilhaben zu dürfen.
„General“, sagte sie mit belegter Stimme.
Der Percht trat vor und musterte sie prüfend.
„Schickt umgehend nach Eurer Herrin. Sie muss erfahren, was sich zugetragen hat.“
Der General nickte und trat ab.
Arrow war sich bewusst, dass er noch immer ihrem Kommando unterstellt war und nichts von alledem verraten hätte, so sie ihm ausdrücklich befohlen hätte, Stillschweigen zu bewahren. Doch mit Elaines Tod waren die Würfel gefallen. Niemand vermochte mehr aufzuhalten, was jetzt geschehen sollte.
„Bist du von allen guten Geistern verlassen?“, fragte Torra aufgebracht. „Ist dir klar, was du getan hast?“
„Ich habe gar nichts getan!“, schrie sie sie ungehalten an. „Wenn du jemandem die Schuld an dieser Sache geben willst, dann finde denjenigen, der sein Schwert in diese Wurzeln gerammt hat!“
„Es wäre deine Aufgabe gewesen, ihn zu schnappen, bevor das hier geschehen konnte!“
Arrow ging auf sie zu und musterte sie zornig. Dann sagte sie gelassen: „Du hast recht. Es gehört zu meinen Aufgaben, Störenfriede ausfindig und unschädlich zu machen. Solltest du mir also noch ein einziges Mal widersprechen, so kannst du wählen zwischen einem Leben im Holunderwald oder auf der Oberfläche. Am Ende wird beides zum selben Ziel führen.“
Torra antwortete nicht, doch Arrow konnte die Wut in ihr lodern sehen. Offenbar kannte sie keinen Respekt anderen gegenüber, eine überaus gefährliche Eigenschaft, vor allem in einer solch brisanten Lage. Arrow wandte sich von ihr ab und ging zu Bon.
„Ich benötige ein Dutzend deiner Männer“, sagte sie. „Sie müssen den Baum bewachen. Möglicherweise hält sich der Eindringling noch immer hier auf.“
„Ich würde vorschlagen, dass ich alle schicke“, entgegnete Bon ernsten Blickes. „Wie es aussieht, müssen wir die Höhle noch einmal durchsuchen, und niemand kennt sich hier besser aus als wir.“
Sie nickte und warf ihm einen dankbaren Blick zu.
„Was kann ich tun?“, fragte Neve, der noch immer Tränen über die Wangen liefen.
„Vorerst gar nichts“, erwiderte Arrow. „Bis Frau Perchta eintrifft, müssen wir dich in Gewahrsam nehmen. Sie muss entscheiden, wie viel Glauben sie deinen Worten schenken will.“
„Was?“, sagte die Elfe entgeistert. „Du denkst, ich habe das alles nur erfunden und sie vorsätzlich umgebracht?“
Arrow dachte an die Worte der Todsünden. Der Verräter stammt aus den eigenen Reihen, hatten sie einst zu ihr
Weitere Kostenlose Bücher