Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
gesagt. Und obwohl sich alles in ihr dagegen sträubte, ihrer Freundin einen solch folgenschweren Mord anzuhängen, durfte sie es dennoch nicht ausschließen. Denn wer konnte schon mit Sicherheit behaupten, dass es sich dabei allein um Nyriden handelte? Die eigenen Reihen waren für Arrow auch das, was sie Familie nannte, wenngleich sie sich nichts sehnlicher wünschte, als dass es ein Irrtum war. Doch ihr fehlte der Mut, Neve diese Dinge ins Gesicht zu sagen, sogar mehr noch als der Mut, einem Riesen gegenüberzutreten.
„Was ich denke, spielt jetzt keine Rolle mehr. Wie es aussieht, habe ich die Kontrolle über das, was hier vor sich geht, verloren. Deshalb ist es an der Zeit, sie der Person zurückzugeben, von der sie mir anvertraut wurde.“
Neve widersprach nicht und sie wehrte sich auch nicht, als sie von einem der Perchten abgeführt wurde.
„Und was willst du nun tun?“, fragte Bon mit finsterer Miene.
„Ich bringe Elaine in das Schloss“, entgegnete Arrow. „Dort werde ich sie waschen und ihr ein Tuch über die Wunde legen. Ihre Mutter soll sie nicht so sehen müssen.“
Das Herz einer Mutter
Es herrschte noch immer Dunkelheit in Nebulae Hall, als Frau Perchta mit der Merga eintraf. Wie erstarrt schritt sie auf den Leichnam ihrer Tochter zu, krampfhaft darum bemüht, Haltung zu bewahren.
Arrow wagte nicht, das Wort an sie zu richten. Mit einer Geste schickte sie die anderen fort und nur der General war noch an ihrer Seite. Doch es bedeutete nichts, denn er war in allererster Linie noch immer der Herrscherin des Holunderwaldes unterstellt. Dennoch war sie dankbar, in diesem Moment nicht mit der Frau allein sein zu müssen, die gerade ihr einziges Kind verloren hatte.
„Sie sieht aus, als würde sie schlafen“, sagte Perchta mit belegter Stimme. Dann nahm sie zaghaft das Tuch in die Hand.
„Nein“, sagte Arrow schnell und schritt an ihre Seite.
Die alte Frau musterte sie erschrocken. „Denkst du, du kannst mir verbieten, mein eigenes Kind anzusehen?“
„Das kann ich nicht“, entgegnete sie reumütig. „Doch ich kann Euch darum bitten, es noch einmal zu überdenken. Nichts kann diese Tat ungeschehen machen. Dennoch möchte ich es Euch ersparen, sie so sehen zu müssen.“
Frau Perchta senkte die Hand und ließ von ihr ab.
„Wir haben immer so etwas wie eine mentale Verbindung zueinander gehabt“, sagte sie ruhig. „Vor einer Weile wurde sie unterbrochen.“
„Ich weiß. Elaine hat mir davon erzählt.“
„Bist du ihr vor ihrem Tod noch einmal begegnet?“
Arrow nickte und erzählte dann, worüber sie sich mit der Grünen Lady unterhalten hatte, und dass sie auf dem Weg zu ihr von jemandem verfolgt worden war.
„Ein Eindringling? Und es ist dir nicht gelungen, ihn zu fassen? Wussten meine Perchten darüber Bescheid?“
„Bis auf das Treffen mit Eurer Tochter habe ich nie etwas vor ihnen verheimlicht.“
„Als euch klar wurde, dass ihr ihn nicht zu fassen bekommt, hättet ihr das alles hier abblasen müssen.“
„Das hätten wir.“
„Und wie lautet deine Entschuldigung dafür, dass du es nicht getan hast?“
Arrow senkte den Kopf. „Ich bedaure zutiefst, was geschehen ist. Jedoch wage ich nicht, Elaines Tod in irgendeiner Art und Weise zu rechtfertigen.“
Frau Perchta wandte sich von ihr ab. „Erzähl mir, wie es geschehen ist“, sagte sie und deutete mit einer Kopfbewegung auf den Leichnam.
Sie berichtete bis ins kleinste Detail, was vorgefallen war, angefangen bei ihrer letzten Begegnung mit dem Puka bis hin zu der Anweisung, Neve in Gewahrsam zu nehmen. Frau Perchta warf der Merga einen Blick zu und befahl dann, die Elfe kommen zu lassen.
Als Neve die Stufen zu dem Raum hinunter schritt, versuchte sie, gefasst zu bleiben, doch ein Blick auf Elaine trieb ihr sofort erneut die Tränen in die Augen.
„Neve“, sprach Arrow sie mit ruhiger Stimme an, „ich weiß, dass es dir schwer fällt, aber du musst uns noch einmal schildern, was passiert ist. Nimm dir Zeit und versuche, dich ganz genau zu erinnern. Jedes noch so kleine Detail könnte hilfreich sein.“
Die Elfe nickte und nahm den Blick von der Grünen Lady. Sie versuchte, sich zu sammeln und berichtete dann, was vorgefallen war.
„Und die Gestalt?“, fragte Perchta nach. „Weiß du noch, wie sie ausgesehen hat?“
„Sie war schlank und ziemlich groß. In dem schwachen Licht konnte ich einen schwarzen Umhang mit Kapuze erkennen. Ihre Augen habe ich nicht gesehen, doch der Moment, als sie ihren
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