Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
verspeisen. Andere lagen auf den Beckenrändern und warteten darauf, dass die Sonne das Übrige erledigte. Und nur wenige Becken weiter fand sich bereits ein regelrechter Fischfriedhof. Der Geruch des Todes lag in der Luft, doch er konnte unmöglich allein vom heutigen Tage stammen, dafür war die Verwesung der Fischkörper bereits zu weit fortgeschritten. Es schien, als würde hier eine Krankheit wüten, die sich in einigen Bereichen schneller als in anderen verbreitete, und Arrow konnte sich nicht des Gefühls entledigen, dass es etwas mit den Túatha Dé Danann zu tun hatte.
Als sie die Nebeldecke passierte, schien es, als würde sie in eine andere Welt eintauchen. Zwar erstreckten sich die Becken auch hier soweit das Auge reichte, doch es lag etwas in der Luft, das ihr noch größeres Unbehagen bereitete. Vielleicht lag es daran, dass die prickelnden Sonnenstrahlen nicht bis hierher durchdrangen, oder aber, weil auf dieser Seite kein Leben zu existieren schien. Anders als auf dem Gipfel sprang nirgendwo ein Fisch durch die Luft und die vormals schönen Blüten der Boote, die Arrow oben noch gesehen hatte, trieben welk auf den Oberflächen. Das Wasser war trüb und hätte sie keinen Blick über einen der Beckenränder riskiert, wären ihr die Meerjungfrauen gar nicht aufgefallen. Mit zotteligem Haar trieben sie auf dem Grund und starrten wie willenlose Puppen in die Leere. Ein äußerst beunruhigender Anblick. Zwar wusste sie nicht viel über Meerjungfrauen, wohl aber, dass sie sehr eitle Geschöpfe waren, die viel Zeit damit verbrachten, ihr Haar zu pflegen. Noch dazu galten sie als stets lebenslustig und ausgelassen. Diese hier waren von einer solchen Beschreibung meilenweit entfernt.
Plötzlich hörte sie ein lautes Platschen. Es klang, als würde etwas weitaus Größeres in das Wasser springen als ein bloßer Goldfisch, und als sie dann auch noch Schreie vernahm, wusste sie, dass etwas Schlimmes geschehen war. Eilig lief sie die Stufen hinab, doch immer dichtere Nebelschwaden erschwerten die Sicht. Gerade erblickte sie noch, wie jemand aus dem Wasser stieg und davonlief.
„Warte!“, rief sie aufgeregt. Doch als die Gestalt nicht reagierte, kam ihr wieder ins Gedächtnis, dass sie in diesem Zustand für andere unsichtbar war.
Ein kurzer Blick ins Wasser genügte, um zu erkennen, dass der Meerjungfrau, die gerade mit starren Augen auf den Grund sank, das Gleiche widerfahren sein musste wie den anderen. Und es bedurfte keiner langen Überlegungen, bis sie begriff, dass die Gestalt etwas damit zu tun haben musste.
Arrow lief ihr nach und an einem Punkt, an dem sich der Nebel gleich einem Tunnel, der gen Himmel führte, lichtete, setzte die Gestalt zum Sprung an und erhob sich schwingenlos in die Lüfte. Arrow wollte dem Störenfried folgen, und so versuchte sie, sich in einen Wirbelwind zu verwandeln. Dieses Mal gelang es ihr jedoch nicht. Hilflos schaute sie vom Boden aus zu, wie die Figur immer weiter entschwand. Sie war so nahe dran gewesen, endlich Näheres über die rätselhaften Ereignisse der letzten Zeit in Erfahrung zu bringen. Anstelle dessen stand sie nun vor noch mehr Fragen als zuvor. Und als ihre Hoffnung, die Verfolgung aufnehmen zu können, beinahe verschwunden war, huschte ein schwarzer Schatten um sie herum und erhob sie in himmlische Höhen. Whisper! In dieser Gestalt war sie mehr denn je zuvor auf ihn angewiesen. Wo Elaine beim Besuch jedes Ortes noch an die Wurzeln ihrer Ulme gebunden war, benötigte sie nun die Hilfe des Rappen. Er war der Wind, der sie binnen kürzester Zeit von einer Ecke der Welt zur nächsten brachte, in jedem Augenblick ihres Daseins an ihrer Seite wandeln musste und mit ihr auf eine Weise verbunden war, die zwei einzelne Gemüter zu einem großen, ganz neuen vereinte.
Der Rappe bewegte sich so schnell, dass sie die rätselhafte Gestalt bald eingeholt hatten. Arrow erkannte kaum, über welchen Teil dieser Welt ihre Reise führte, doch es kümmerte sie wenig. Vielmehr war sie am Gesicht des Störenfrieds interessiert, doch es war verhüllt.
An einem dunklen Ort, der vollkommen gegensätzlich zu dem vorherigen war, endete ihr Weg. Whisper setzte sie behutsam ab und nahm anschließend wieder die Gestalt eines Pferdes an. Er folgte ihr auf Schritt und Tritt, während sie sich unbehaglich umsah.
Es schien, als würde der Unbekannte in einen Wald laufen, der ihr ganz anders erschien als die Wälder, die sie bisher kannte. Weder gab es Blätter, noch erspähte sie
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