Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
an jene zu nehmen, die sie einst in goldene Zeitalter geführt haben, kann Auswirkungen ungeahnten Ausmaßes nach sich ziehen. Es wäre eine ebenso mächtige Waffe wie die, die eigenen Gräueltaten aus den Gedächtnissen aller verschwinden zu lassen.“
„Ein Buch darf ihnen dabei jedoch nicht in die Hände fallen“, sagte Arrow ängstlich und sah Keylam dabei entschlossen in die Augen. „Im Schloss gibt es jemanden, der mir ans Herz gewachsen ist. Er kannte meinen Vater und hat ihm einst treu gedient. All die Jahre hat er in seinem Gemach ausgeharrt, um mir schließlich eine Botschaft zu überbringen. Zwar bestand sie fast vollständig aus Bildern, aber gerade sie haben mir in den letzten Wochen hier drinnen Hoffnung und Mut gegeben. Als er seine Aufgabe erfüllt hat, hat er sich in meine Dienste begeben. Er besitzt das Buch, von dem ich gesprochen habe und ich bin überzeugt, dass er alles daran setzen wird, es zu beschützen. Dennoch möchte ich ihn gern an unserer Seite wissen. Er hat so viele Tage der Einsamkeit hinter sich wie es kaum jemand ertragen kann. Deshalb möchte ich dich bitten, ihn nicht länger allein zu lassen und dich um ihn zu kümmern.“
„Sorge dich nicht“, flüsterte Keylam, während er über ihre Lippen strich. „Es wird ihm an nichts fehlen.“
„Was ist mit Elaines Mörder? Habt ihr ihn gefunden?“
„Weder ihn, noch einen Hinweis auf seinen Verbleib“, entgegnete er schwermütig. „Dieser Bastard ist wie ein Geist. Er taucht auf und verschwindet wie es ihm beliebt. Wir können nicht einmal sagen, ob er sich noch in der Höhle befindet. Die Zwerge und die Riesen verbringen jede Minute damit, nach ihm zu suchen. Doch zeitweise scheint er ebenso unwirklich wie die verlorenen Schriften über die Túatha Dé Danann.“
Keylam wirkte verzweifelt. Und wer konnte es ihm verdenken? Schließlich gab es nicht den geringsten Anhaltspunkt, weder in Bezug auf den Eindringling, noch hinsichtlich der Alten Könige. Zeitweise schien es am klügsten, sich einfach der Verzweiflung hinzugeben, denn die Chance, ihren Widersachern die Stirn bieten zu können, sank zusehends.
Arrow senkte den Blick. „Ich wünschte, es wäre alles anders gekommen“, sagte sie betrübt. „Ich fühle mich so hilflos, denn ich weiß nicht, wie es nun weitergehen soll. Bei allem, was ich je getan habe, hatte ich stets angenommen, damit umgehen zu können, doch neben all diesen schrecklichen Ereignissen führe ich nun auch noch ein Leben in Gefangenschaft. Bereits jetzt nimmt es mir die Luft zum Atmen und ich weiß nicht, wie ich das auf Dauer durchstehen soll.“
„Und doch haben sich dir mit dieser neuen Situation Möglichkeiten eröffnet, von denen andere nicht einmal zu träumen wagen. Du kannst Dinge sehen, die niemand sonst sehen kann. Und das Wissen, das du dabei erlangst, ist von unschätzbarem Wert.“
„Dennoch bin ich nicht länger frei. Was nützen mir all diese Fähigkeiten, wenn ich mich doch nur nach dem sehne, was ich jetzt nicht mehr haben kann? Ich wünsche mir ein Heim, in dem ich mit dir und unserem Kind in Frieden leben kann. Aber vor allem sehne ich mich danach, jemand anderes zu sein.“
Dann begann sie erneut zu weinen und selbst die Tatsache, dass Keylam nun endlich bei ihr war und sie in seine Arme nahm, tröstete sie nur begrenzt. In diesem Moment wünschte sie sich, dass es die Prophezeiung nie gegeben hätte. Dann, so glaubte sie, wäre sie vielleicht nie so töricht gewesen, ihr zu folgen. Hätte sie gewusst, dass ihr Weg sie genau hierhin führen würde, so wäre sie ihn nicht gegangen, sondern lieber davongelaufen. Irgendwo in einer anderen Welt hätte sie sich ein ruhiges Leben aufgebaut, fernab von allem, was in dieser Welt vor sich ging. Und sie hätte es auch vermieden, unbedingt diejenige sein zu wollen, die endlich das Zepter in die Hand nehmen würde, das vor ihr niemand anders hatte in die Hand nehmen wollen. Dann hätte diese Welt weiterhin auf ihren großen Retter warten müssen, auf den einen Mutigen, der sich dieser unmöglich zu lösenden Aufgabe stellen würde. Doch dann hätte sie auch nie Keylam kennengelernt, nie ihren gemeinsamen Sohn geboren und nie erfahren, was es bedeutete, solch ein Glück zu erleben. Und war es das nicht wert? Waren es nicht genau diese Dinge, die einem die Kraft gaben, zu erschaffen, was kein irdischer Zauber je zu erschaffen vermochte? Was nützte ein Leben in Ruhe und Abgeschiedenheit, wenn man nie, nicht einmal für einen winzigen
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