Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
du tatsächlich vorhaben, mich hier und heute zu töten, muss ich dich wohl enttäuschen, denn ich habe nicht die Absicht, dir mein Leben einfach so zu überlassen.“
„Dein Leben ist es gar nicht, was ich begehre. Allerdings hängt es davon ab, ob du mir gibst, was ich will.“
„So wie die anderen, die deinen Weg gekreuzt haben?“
Laris nickte. „Ich denke, man könnte es so ausdrücken. Und falls es dich interessiert, kaum einer von ihnen hat den allerletzten Ausweg gewählt. Bisher haben sich die meisten für das kleinere Übel entschieden. Aber genug der Banalitäten. Du hattest Fragen und ich gebe dir die Antworten. Wie dir inzwischen ja zu Ohren gekommen ist, bin ich ursprünglich kein König gewesen. Du nanntest mich einen Knappen, dessen Aufgabe es war, Pferdemist wegzuräumen, was du sicherlich nicht weißt, ist, dass ich ...“
„Dass du auch ein Schreiberling bist?“
Laris stoppte einen Moment. Dann nickte er anerkennend und ging weiter.
„Wirklich beeindruckend“, sagte er. „Wie es aussieht, bist du mir nachher auch noch einige Antworten schuldig. Aber um wieder auf meine Geschichte zurückzukommen, ja, ich bin ein Schreiberling. Es ist ein Handwerk, das nur allzu oft belächelt wird, denn viele unterschätzen dummerweise die Macht des geschriebenen Wortes. Ein großer Fehler, wenn man bedenkt, dass es mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin. Hätten die Túatha Dé Danann diese Kunst zu würdigen gewusst, wäre ihnen ihr trauriges Schicksal vielleicht erspart geblieben.“
„Das gleiche Schicksal, das Kemar widerfahren ist?“
„Das gleiche Schicksal, das allen widerfahren ist. Wie dem auch sei, ich habe unsere Geschichte niedergeschrieben und dafür gesorgt, dass die Ehrerbietung, die uns einst umgab, überdauerte. Ich habe immer gewusst, dass irgendwann wieder Elfen in diese Welt geboren werden, die sich nach Disziplin und Ordnung sehnen würden, jedoch nicht Manns genug sein würden, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Es zeugt von Schwäche, wenn man sich ein Zeitalter zurückwünscht, das man selbst nie miterlebt hat und dann auch noch erwartet, dass jene wiederherstellen, was mit ihrem Niedergang zunichte gemacht wurde, findest du nicht? Und sieh dir nur an, was aus dieser Welt geworden ist. Ein Halbelf auf dem Thron, dessen Mutter eine Verräterin war und eine Frau als Hoffnungsträgerin, die noch nicht einmal auf natürliche Weise geboren wurde, sondern lediglich den Hirngespinsten eines depressiven Nyriden entsprungen ist. Dazu kommen Zwerge, die sich feige in ihren Höhlen verstecken und eine Herrscherin, die ihr Jagdgefolge nur zu den vorgesehenen Zeiten ausschickt. Ist das wirklich eine Art und Weise, die bessere Zeiten verspricht?“
„Wie würde denn deiner Meinung nach die perfekte Regierung aussehen?“
„Ein Herrscher“, sagte er gefestigt. „Und damit meine ich nicht etwa einen Herrscher für ein Volk oder eine Welt, sondern einen Herrscher für alle. Aber es sollte natürlich jemand sein, der sich dieser Aufgabe als würdig erweist.“
„Das klingt plausibel“, erwiderte sie spöttisch. „Und hast du auch eine Idee, wo so jemand zu finden ist?“
Laris stoppte. Er musterte sie und für den Bruchteil einer Sekunde hatte es den Anschein, als wirkte er verärgert. „Das sind ziemlich große Worte für jemanden, der noch immer nicht begriffen hat, worum es eigentlich geht, findest du nicht?“
„Komm endlich zur Sache, Laris. Sag mir, was du willst und um welches Kind es geht, damit ich es vor dir in Sicherheit bringen und dich dem Erdboden gleich machen kann.“
„Ich fürchte, dafür ist es bereits zu spät, denn du hast es, ohne davon zu wissen, direkt bei mir abgeliefert.“
Arrow runzelte die Stirn. Sie konnte sich keinen Reim machen, worauf er hinaus wollte. Und obwohl sie noch immer überzeugt war, ihm die Stirn bieten zu können, wurde sie das Gefühl nicht los, dass sich eine Schlinge immer enger um ihren Hals zog und ihr langsam aber sicher die Luft zum Atmen nahm.
„Es ist das Kind, das du in dir trägst“, sagte er.
Sie musterte ihn stutzend und in einem unbedachten Moment schaute sie auf ihren Bauch.
„Mir war klar, dass du das jetzt tun würdest“, lachte er verächtlich. „Aber es ist nicht das, was du denkst. Hast du denn nie über den Wortlaut der Prophezeiung nachgedacht? Er will nicht haben, wonach es scheint? Ein Kind ist es wohl, doch bei weitem nicht so offensichtlich, wie du vermutest. Denn es geht um das Kind,
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