Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
verschonen?“, entgegnete sie resignierend.
„Ganz einfach“, erwiderte er, kam auf sie zu und packte sie am Kragen. „Gib mir das Kind, das deinem Geiste innewohnt.“
Arrow sah ihm in die Augen. Sie versuchte, in ihnen etwas zu finden, versuchte zu ergründen, ob es wirklich nichts Gutes in ihm gab, an das sie appellieren konnte. Doch alles an ihm fühlte sich so fremd an. Nicht wie ein Wesen, das irgendwann vielleicht einmal Freude empfunden hatte. Echte Freude, die aus dem Herzen kam, und nicht etwa aus einem Triumph über jemand anderen herrührte. Freude, die ein so ausgelassenes Lachen beschert hatte, dass es vielleicht noch immer irgendwo in seinem tiefsten Innern widerhallte und von dem er zehren konnte. Aber da war nichts. Entweder, weil er es den Todsünden überlassen oder, viel schlimmer noch, weil er es nie erlebt hatte. Was sie jedoch erkannte, war die Kälte, die von ihm ausging und die nicht einmal die starke, wärmende Magie, die er in Besitz genommen hatte, zu überdecken vermochte. Er war viel kälter noch als Stein oder gar der ewig andauernde Winter. Und als ihr wieder in den Sinn kam, welches Leid er als einzelner über diese Welt gebracht hatte, musterte sie ihn angewidert, entriss ihm das Buch und warf es selbst in das Feuer.
„Ich brauche es nicht“, sagte sie selbstsicher. „Ich denke, ich werde meinem Sohn selbst von all den Dingen erzählen, die ich darin niedergeschrieben habe. Ebenso davon, wie ich dich dem Erdboden gleichgemacht habe.“
Erzürnt kräuselte Laris die Lippen. Sein eiskalter Blick bohrte sich wie glühende Drähte in ihre Augen. Arrow bemerkte, wie die Welt um sie herum verschwamm und alles in ein unheilvoll grünes Licht tauchte. Dann, ganz plötzlich, spürte sie einen Ruck und als Laris von ihr abließ und sie gen Himmel schaute, traute sie ihren Augen nicht.
Hinter ihr befand sich ein Wesen von einer Größe, wie sie sonst nur Riesen erreichten. Der Körper war nicht mehr als ein Nebelschleier und das Gesicht war mit undeutlichen Konturen gezeichnet, dennoch vermochte es nicht, die Angst zu verbergen, die sich darin widerspiegelte.
„Was ist das?“, fragte sie benommen.
„Das was ich begehre“, drang Laris Stimme dumpf an ihr Ohr. „Und sie ist sogar noch mächtiger, als ich es je für möglich gehalten hätte, denn sie klammert sich mit aller Kraft an deine Fähigkeiten, egal ob nyridischen oder göttlichen Ursprungs. Und sobald du mir dein Kind überlässt, wird das alles mir gehören.“
„Sie ist so unglaublich groß“, stammelte Arrow. Ihr war schwindelig. Sie hatte Mühe, ihren Blick auf etwas zu fixieren, und in ihrem Körper breitete sich Angst aus. Dieses Wesen, das da vor ihr stand, konnte unmöglich ein Teil von ihr sein. Es sah so fremd aus und die Art, wie es um sich schaute, erinnerte sie an ein hilfloses Baby, das fürchtete, von aller Welt verlassen zu sein. Sie versuchte es anzusehen, wollte etwas entdecken, das ihr vertraut vorkam, etwas, das sie von sich selbst kannte. Doch je länger sie danach suchte, desto mehr Taubheit ergriff Besitz von ihr. Kraftlos sank sie zu Boden, doch sie spürte den Aufprall nicht. Von einem Moment auf den nächsten verhallte die Angst vor dem übergroßen Wesen wie ein Echo und auch der Hass auf Laris war mit einem Schlag verschwunden.
„Na“, erklang seine Stimme erneut, während er sich neben sie hockte „fühlt sich das nicht besser an als all die Furcht, die du ständig mit jedem deiner Atemzüge eingesogen hast oder die Verzweiflung, als du keinen Ausweg wusstest?“
„Ich fühle gar nichts“, flüsterte sie müde.
„Dann ist es jetzt an dir, zu wählen“, sagte er, erhob sich wieder und kehrte ihr den Rücken zu. „Du kannst mir dein Kind überlassen und von jetzt an ein friedliches und unbeschwertes Leben mit deinem Sohn führen, oder aber du hältst daran fest, was sehr tollkühn von dir wäre. Denn der Preis dafür wäre der Tod.“
Arrow schwieg, jedoch nicht aus Trotz oder weil sie sich nicht entscheiden konnte, sondern weil es ihr egal war. Ebenso wie die Zeit, die gerade verging, während Laris auf eine Antwort wartete. All das war plötzlich nicht mehr von Bedeutung und es interessierte sie auch nicht, was er mit ihr tun würde, so sie nichts erwiderte.
„Arrow?“, hörte sie Emily sagen. „Arrow, was geschieht mit dir?“ Als sie nicht reagierte, drehte das Mädchen sie sanft auf den Rücken. „So sag doch etwas“, flehte sie.
„Sie ist so groß!“, stammelte
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