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Sommerstueck

Sommerstueck

Titel: Sommerstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Wolf
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auch serviert werden. Aus einem Samowar, den Luisa auftreiben würde, sie wußte schon, wo. Dazu selbstgebackenen Kuchen, täglich frisch, und zwar vorzugsweise Hefekuchen, mit Butter- und Zuckerdecke. Oder eben Napfkuchen mit Mandeln und Rosinen. Und mittags, daran hielt Luisa fest, zwei, drei einfache Gerichte, täglich wechselnd. Eine Suppe. Gemüseeintopf. Kräutereierkuchen. Nur mal als Beispiele.
    Und wer soll das alles machen?
    Da war Luisa ganz zuversichtlich. Das mache sie schon. Das sei doch ganz leicht. Sie, Bella, brauche nur ihren Platz an dem kleinen runden Marmortischchen am Fenster einzunehmen und zu schreiben. In den vielen Fächern der alten Ladeneinrichtung, die der Eisenwarenhändler ihnen sicher billig ablassen würde, könnte sie alle ihre Papiere unterbringen und verstecken. Und gegen Abend, wenn draußen auf dem Bürgersteig die Lampen angingen, könnte sie, wenn es sie danach drängte, den paar jungen Leuten, die immer wiederkommen würden, ihre neuesten Gedichte vorlesen. Und mit ihnen darüber reden, wenn sie Lust dazu habe. Denn das sei ja überhaupt das allerwichtigste: daß die Leute in ihre Kaffeestube kämen, um miteinander zureden. Daß keiner sich absondere, wenn er eigentlich Sehnsucht nach Leuten habe. Einer, sagte Luisa, bringt zum Beispiel seine Gitarre mit und spielt und singt uns was vor. Ein anderer legt uns die neuesten Platten auf, oder auch uralte, die ihm gefallen.
    Einen Plattenspieler haben wir also auch, sagte Bella.
    Aber natürlich! Und dann – du! Eines Tages kommt ein Mädchen, ganz jung und schön und schüchtern, weißt du. Die will unheimlich gerne Schauspielerin werden und hat sich ganz alleine eine Rolle einstudiert, die Ophelia. Oder die Johanna. Die trägt sie uns dann vor. Ganz still wird es im Raum, alle hören ihr zu und sagen ihr dann, was sie bei ihrem Vortrag empfunden haben. Ah – das wird schön.
    Ja, sagte Bella zornig. Das wird schön. Schön schlimm. Da hatte sie wieder die Luisa mit den erschrockenen Augen. Warum sie sie nur immer dahin bringen mußte. Aber sie hatte nun einmal damit begonnen, sich die Märchen aus der Brust zu reißen, den Schmerz nicht zu achten. Wenn Luisa das nicht ertrug –
    Luisa war schon froh, daß die Zigarette, die Bella sich jetzt anzündete, ihre erste an diesem Morgen war. Daß sie gegessen hatte, was sie ihr hinstellte. Daß ihr schönes dichtes glattes Haar diesen bläulichen Schimmer bekam, den ihr keiner nachmachte. Heute würde Bella sich das Haar waschen und es an der Sonne trocknen lassen, und sie, Luisa, würde ihr das orangenfarbene Handtuch herauslegen, damit Bella es sich um die Schultern tat und das Haar darauf fiel. Und dann würde es Funken sprühen, wenn Bella sich das Haar bürstete. Und sie, Luisa, würde sich im Hintergrund des Zimmers halten und durch das Fenster alles mit ansehen.Sie dachte ernsthaft, daß sie es wohl nicht aushalten werde, wenn es zu schön würde.
    Kochen also, dachte Bella, und Tee ausschenken. Heute ist es also Suppe kochen und Gitarre spielen und Ophelia aufsagen. Gestern ist es spinnen und weben gewesen, und eine Verkaufsstube in einer alten Mühle einrichten. Am Tag davor haben wir über Teppichknüpfen, Schneidern und Töpfern gesprochen, und morgen würde die Rede womöglich von Kasperpuppen sein, die sie herstellen und für die sie Stücke schreiben könnten, um dann – Jonas und Luisa und Bella und wer immer sonst noch wollte – mit ihnen über die Dörfer zu ziehen und Puppentheater zu machen. Und auch daran würde Luisa felsenfest glauben, einen Tag lang, und sie, Bella, nicht. Nicht eine Sekunde lang.
    So war es, und mehr war darüber nicht zu sagen und zu denken. Ein Scheinleben, auf das sie sich da einließ. Wie ihre Liebe eine Scheinliebe war, die sich von den Scheinspielen, die sie lustvoll mit Luisa trieb, nicht mehr deutlich genug unterschied. Luisa, vor der sie ihre Härte verbarg, um sie zu schonen, aber wie lange würde sie das noch können oder wollen. Luisa, die sich mühte, Jonas von ihr abzulenken, damit er nicht schon wieder angelaufen kam und über jede einzige Minute des gerade erst angebrochenen Tages von ihr Rechenschaft forderte. Schon jetzt in zähen, endlosen Verhandlungen den Zeitpunkt festlegen wollte, an dem er – ohne sie!, wie er ihr, zu Tränen erbittert, vorwarf – ins Bett gehen mußte. Schon jetzt die Essenrationen, die man ihm aufzwingen würde, so winzig wie möglich bemessen wollte. Während Bella vorausfühlte, wie das

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