Sommertraume in Marbella
gesagt, ich hatte vergessen, wie klein du bist“, wiederholte Silas spöttisch.
„Tja, aber ich habe nicht vergessen, was für ein überheblicher Besserwisser du bist!“ Julia verschwand im Bad und schloss laut die Tür hinter sich.
Zu ihrer Empörung zitterte sie doch tatsächlich. Warum hatte sie sich nur auf dieses Gespräch eingelassen? Sie hätte daran denken sollen, wie mühelos er sie immer schon mit seiner Arroganz hatte in Rage bringen können. Von klein auf war er überzeugt, dass alles, was er sagte und tat, großartig und richtig war.
Was war das wohl für ein Gefühl, so unerschütterlich und unverwundbar zu sein? Sicher hatten ihn sein Reichtum und gesellschaftlicher Rang vor finanzieller Not und der Härte des heutigen Berufs- und Alltagslebens geschützt, aber zweifellos war es sein Charakter, der ihn immun machte gegen emotionale Verletzungen und Selbstzweifel. Niemand hatte es jemals geschafft, erfolgreich seine Überzeugungen in Frage zu stellen. Niemand hatte ihn jemals dazu gebracht, an sich selbst zu zweifeln oder an dem, was ihn motivierte. Sogar ihr Großvater, ein wirklich kluger Gentleman, behandelte Silas stets respektvoll und ehrerbietig.
Aber sie würde das nicht tun! Was würde ich nicht darum geben, an dem Tag in der Nähe zu sein, an dem Silas feststellt, dass auch er menschlich ist und leidet, dachte Julia grimmig, während sie sich abtrocknete.
Sie zog den zweiten Bademantel an, der natürlich nicht für einen Mann gedacht war, sondern dieselbe Größe hatte wie der, den Silas trug. Ihr war das Ding trotzdem zu groß, allerdings war es in ihrer gegenwärtigen Stimmung kein Nachteil, dass es zu weit war und bis auf den Boden reichte.
Als sie ins Wohnzimmer kam, stand Silas am offenen Fenster und trank seinen Kaffee. „Ich bin nicht sicher, ob der kleine Balkon da draußen sicher ist“, warnte er. „Möchtest du Kaffee?“
„Danke, ich schenke mir selbst ein“, erwiderte Julia scharf.
„Iss dein Rührei, sonst wird es kalt.“
„Ich esse keine Eier mehr“, log sie. Für das Vergnügen, sich seiner Autorität zu widersetzen, lohnte sich der Verzicht.
Natürlich ließ sich Silas nicht so ohne weiteres ausmanövrieren.
„Kein Wunder, dass du so dünn bist“, konterte er.
„Ich bin nicht dünn!“
„Was ist für heute geplant?“
„Nicht viel, eigentlich. Die Hollywoodsuperstars und ihre Leute reisen heute Nachmittag ab, Dorland wird sie verabschieden. Damit haben wir von Prêt a Party nichts zu tun. Lucy und Nick fliegen zurück nach England, und ich bin auf den Siebzehnuhrflug nach Neapel gebucht.“
„Dann hast du also einen freien Vormittag?“
Julia zögerte. Wenn sie Silas erzählte, dass sie den ganzen Morgen in einem Schuhgeschäft verbringen wollte, würde er sie nur noch mehr verspotten. Sogar ihre besten Freundinnen schüttelten so oft den Kopf über ihre Sucht, dass sich Julia manchmal wirklich schuldig fühlte. „Nicht direkt. Ich muss einige Besorgungen machen, Wäsche abholen, zur Bank – solche Dinge.“
„In Ordnung, ich komme mit. Das ist eine Gelegenheit, mir die Altstadt anzusehen.“
„Nein! Ich meine, du brauchst nicht mitzukommen. Du würdest dich nur langweilen. Ich muss auch noch Papierkram nachholen und einige Telefongespräche führen.“
„Ich verstehe.“ Glaubte Julia tatsächlich, dass er sie nicht durchschaute? Natürlich hatte sie vor, sich mit Nick zu treffen. Vielleicht sollte Silas etwas dagegen unternehmen, aber dann würde Julia möglicherweise etwas Dummes tun. Mit Nick durchbrennen, zum Beispiel. Außerdem wusste Silas ja, dass sein Konkurrent am Nachmittag nach London zurückflog, während er Julia nach Italien begleitete.
Was für ein Jammer, dass sie nach dem Schulabschluss nicht auf Amberley geblieben war. Sie hätte ihr Pferd reiten, sich sozial engagieren und ihrem Großvater Gesellschaft leisten können, bis sie reif genug für die Ehe war. Nicht, dass Silas allzu besorgt gewesen war, als sie bei Prêt a Party angefangen hatte. Dadurch hatte er Zeit gehabt, sich auf die Modernisierung der Stiftung zu konzentrieren.
Doch jetzt lagen die Dinge anders. Er war so weit, seinen Entschluss in die Tat umzusetzen und Julia zu heiraten. Schließlich war sie in vielerlei Hinsicht die perfekte Ehefrau für ihn. Sie hatten eine gemeinsame Familiengeschichte, waren aber keine direkten Blutsverwandten. Wie ihre Mutter war auch Julia auf Amberley großgezogen worden und würde keine Probleme haben, sich dort
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