Sommerzeit
Martin Kihlgård liefen zu einem kurzen Mittagessen zur Pizzeria an der Ecke hinüber. Sie rechneten damit, den ganzen Abend zu arbeiten. Da sie sich so lange nicht gesehen hatten, freuten sie sich, ein wenig Zeit füreinander zu haben. In den letzten Jahren hatten sie mehrere Fälle gemeinsam gelöst und waren gern zusammen.
Während sie auf das Essen warteten, spekulierten sie weiter über mögliche Motive des Mörders.
Kihlgård schaufelte den im Dressing ertränkten Salat mithilfe von Brotstücken in sich hinein, während er redete.
»Ein mögliches Motiv ist natürlich Eifersucht – ein Dreiecksdrama. Wie treu war Peter Bovide? Vielleicht hatte er irgendein Verhältnis?«
»Die Vorgehensweise lässt Rache vermuten«, sagte Karin. »Warum sollte irgendwer ihm eine Menge ganz offensichtlich unnötiger Schüsse in den Bauch verpassen? Er war ja schon nach der ersten Kugel tot.«
»Woher weißt du das?«, fragte Kihlgård mit vollem Mund.
»Der Gerichtsmediziner hat angerufen, als wir gerade gehen wollten.«
»Ach so, und was hat er gesagt?«
»Wir wissen jetzt den Zeitpunkt des Mordes. Peter Bovide ist gegen sechs Uhr morgens gestorben, und er wurde vom ersten Schuss getötet. In seinem Bauch wurden sieben Kugeln gefunden, in seinem Kopf eine. Die sind schon ins SKL geschickt worden, und die haben versprochen, sich zu beeilen. Ich habe deren Versprechen, mir schon morgen mehr über die Munition und hoffentlich auch die Waffe zu berichten. Außerdem hat der Gerichtsmediziner gesagt, dass der Schusswinkel von schräg oben verlief. Peter Bovide saß oder kniete vermutlich, als ihm in die Stirn geschossen wurde.«
»Ach was?«
»Ja, wenn der Täter nicht auf einer Leiter stand, als er geschossen hat, und das ist ja nun nicht gerade wahrscheinlich. Bei den Schüssen in den Bauch hat er bereits gelegen. Also stimmt Sohlmans Theorie über die Reihenfolge. Zuerst der Schuss in die Stirn, das Opfer fiel zu Boden, und dann wurden die Schüsse in den Bauch abgegeben.«
Kihlgård machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Aber das ist doch seltsam? Warum sollte er gesessen haben – er ist doch gelaufen?«
»Sie sind vielleicht ins Gespräch gekommen und haben sich dann an den Strand gesetzt? Im Moment kann ich mir das auch nicht erklären.« Karin zuckte mit den Schultern. »Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass der Mord ein Zufall war. Vielleicht hatten sie sich sogar verabredet.«
Das Essen kam und eine Zeit lang aßen sie schweigend.
»Glaubst du, dass es ein Gast vom Campingplatz war?«, fragte Karin zweifelnd. »Wäre es nicht ziemlich leichtsinnig,
jemanden umzubringen, der auf demselben Campinglatz wohnt? Der Mörder muss doch damit rechnen, befragt und unter die Lupe genommen zu werden.«
»Sicher, das würde auf einen Mord im Affekt hindeuten. Aber es kann auch jemand aus dieser Hüttensiedlung gewesen sein. Die liegt doch näher am Tatort als der Campingplatz. Oder es war jemand von außerhalb.«
»Sicher«, sagte Karin und kaute zerstreut auf einem Stück Capricciosa herum. Kihlgård hatte seine Calzone schon fast vertilgt.
Karin öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Kihlgård bewegte abwehrend die Hand.
»Ja, ja, ich weiß, dass er als ein wenig deprimiert und psychisch schwach galt. Aber das schließt doch nicht aus, dass er beschattet worden ist, oder? Wir müssen viel grundsätzlicher fragen: Wer war Peter Bovide? Was hat er gemacht? Wen hat er getroffen? Wie hat er gelebt?«
»Diese anonymen Anrufe können doch mit Schwarzarbeit zu tun gehabt haben«, sagte Karin. »Ich meine, die ist in der Baubranche doch ungeheuer verbreitet. Ich bin gespannt, was die Wirtschaftskripo über die Firma herausfindet, auch wenn das bei denen immer ewig lange dauert.«
Sie schob ihren Teller zurück, obwohl darauf noch mehr als eine halbe Pizza unberührt lag.
»Dann haben wir noch die Anzeige wegen Körperverletzung. Als Jungspund muss Bovide offenbar ein Hitzkopf gewesen sein«, sagte Kihlgård. »So etwas passiert selten nur einmal. Das Mordmotiv kann aus dieser Zeit herrühren. Die Vorgehensweise bei diesem Mord erinnert mich an die Mafia. Vielleicht war Peter Bovide in jungen Jahren in richtig dicke Dinger verwickelt, und jetzt
ist die Zeit für die Abrechnung gekommen. Das wäre nicht das erste Mal.«
Er schaute gierig auf Karins Teller.
»Nimm schon«, bot sie an.
»Wäre doch Sünde, das gute Essen wegzuwerfen.«
Rasch vertauschte er seinen leeren Teller mit dem seiner Kollegin.
Als Karin
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