Sommerzeit
Verwandtschaft schildert die beiden als das perfekte Paar, bei dem alles in Ordnung war: gepflegtes Haus, nette, gut erzogene Kinder, alles unbeschreiblich harmonisch. Alle, mit denen wir gesprochen haben, schienen über den Mord aufrichtig erschrocken zu sein.«
»Etwas völlig anderes: Weil es sich um eine russische Waffe handelt, fällt mir gerade ein, dass es mit den russischen Kohlentransporten im Hafen von Slite zu tun haben könnte«, warf Wittenberg dazwischen. »Ich meine, die Schiffe kommen mehrmals jeden Monat, und alle wissen, dass dort illegal Schnaps verkauft wird.«
Karin dachte an die Zeitungsnotiz. Dieser Gedanke war auch ihr gekommen.
Knutas fand diese Überlegung interessant. Die Kohlenschiffe waren wirklich ein Problem. Die Polizei wusste um den Alkoholschmuggel, verfügte aber nicht über die Mittel, um jede Ladung zu überprüfen. Es waren nur Stichproben möglich.
»Das klingt plausibel«, sagte Kihlgård. »Das ist eine Spur, der wir nachgehen sollten.«
»Weiß jemand, wann der nächste Transport einläuft?«, fragte Knutas. »Und wer ist auf schwedischer Seite für die Löscharbeiten zuständig?«
»Der Hafenchef der Cementa«, sagte Wittberg. »Für die ist die Kohle doch bestimmt. Die nutzen sie als Brennstoff für ihre Öfen.«
»Okay«, sagte Knutas. »Ich rufe ihn an, wenn wir hier fertig sind.«
»Warte«, bat Kihlgård. »Einer von den Nachbarn hat irgendwas über die Cementa gesagt.«
Er blätterte eifrig in seinem Notizbuch.
»Ja, hier. Ein Arne Nilsson, der neben Peter Bovide wohnt, hat erzählt, dass Peter vor nicht langer Zeit in großem Stil seinen vierzigsten Geburtstag gefeiert hat. Es war eine ziemlich feuchtfröhliche Veranstaltung. Er hat etwas über Wodka gesagt … ja, dass der Wodka nur so strömte und dass es kein schnöder Schnaps aus dem staatlichen Alkoholladen war, sondern stärkere Ware, direkt aus Russland importiert. Der stammte offenbar von einem der russischen Schiffe, die der Cementa Kohlen liefern.«
»Es ist ja wohl nicht ungewöhnlich, dass Leute sich illegal Schnaps kaufen«, wandte Erik Sohlman ein. »Warum sollte das etwas mit dem Mord zu tun haben?«
»Wir sollten es jedenfalls überprüfen«, sagte Knutas. »Ich erkundige mich, wann das nächste Schiff erwartet wird.«
A ls Johan erwachte, wusste er im ersten Moment nicht, wo er war. Er schaute zur Decke hoch, deren gelbliche Farbe er nicht wiedererkannte. Vorsichtig drehte er sich im Bett um, das weicher und breiter war als sein eigenes. Im ersten Moment glaubte er, draußen in Roma in Emmas Schlafzimmer zu liegen, und er kostete einen Moment voll euphorischer Freude aus, ehe ihm aufging, dass er den vergangenen Abend ja nicht mit ihr verbracht hatte und dass die Geräusche vor dem Fenster viel lauter waren, als in dem ruhigen Wohnviertel in Roma, in dem Emmas Haus stand. Und dann stellten sich die Bilder des vergangenen Abends ein. Verdammt. Sie waren im Donners Brunn gewesen und dann ins Straßencafé Vinäger weitergegangen, wo sie Bekannte vom Lokalradio getroffen hatten. Sie hatten fast die ganze Nacht durchgemacht und sich köstlich amüsiert. Am Ende hatten er und Madeleine allein vor der Ruine der Sankt Karinskirche gesessen. Danach war er mit ihr ins Hotel gegangen. Nein, dachte er. Nein, nein!
Er drehte sich auf die Seite und sah einen dunklen Schopf unter der Decke hervorlugen.
Verflucht. Sie hatten Sex gehabt. Er hatte mit seiner
Arbeitskollegin geschlafen. Verdammt, was für eine miese Tour. Er wollte das alles nicht. So leise er konnte, stieg er aus dem Bett und ging auf die Toilette. Er drehte den Wasserhahn so wenig auf, dass der Strahl nicht zu hören war. Betrachtete sein Spiegelbild, sein Gesicht war gelblich fahl. Seine Augen waren gerötet, müde und ein wenig traurig. Wen sah er da? Er entdeckte neue Linien um die Augen und am Hals. Eine neue Falte, die noch nicht lange dort war. Sein Gesicht hatte sich verändert, war gealtert. Er hatte einen widerlichen Geschmack im Mund. Vor seinem inneren Auge erschien Emmas Gesicht. Wie hatte er nur so dumm sein können? Er kam sich schmutzig vor, und vor Selbstverachtung wurde ihm schlecht. Duschen würde er zu Hause. Er musste weg hier, musste fort. Er schlich sich aus dem Zimmer und raffte seine Kleidung zusammen, voller Angst, Madeleine könne aufwachen.
D er nächste Kohlentransport wurde in Slite erst in einer Woche erwartet. Knutas ließ die Sache bis auf weiteres auf sich beruhen und beschloss, zu Peter Bovides
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