Sommerzeit
Eltern zu fahren, obwohl die bereits vernommen worden waren. Er wollte selbst mit ihnen sprechen.
Es war schön, die Wache zu verlassen und allein loszufahren. Er nahm sein eigenes Auto, einen alten Mercedes ohne Klimaanlage, und war schweißnass, als er in Slite ausstieg. Katarina und Stig Bovide wohnten in einer Parterrewohnung mitten im Ort. Sie hatten die Jalousien heruntergelassen, es sah also aus, als sei niemand zu Hause.
Knutas drückte auf den Klingelknopf. Es dauerte eine Weile. Langsam wurde die Tür geöffnet, und Knutas fühlte sich unangenehm berührt, als er das Gesicht der älteren Frau sah. Obwohl Katarina Bovide sommersprossig und sonnengebräunt war und in ihrem bodenlangen hellroten Kleid ein wenig an Line erinnerte, waren ihre Trauer und Verzweiflung schmerzlich sichtbar.
Sie nickte ihm nur zu und ging vor ihm in ein Wohnzimmer, das normalerweise sicher gemütlich war, jetzt aber im Dunkeln lag. Die Vorhänge waren geschlossen, und es sickerte nur sehr wenig Licht durch. Peter Bovides
Eltern schienen den Sommer aussperren zu wollen. Als könnten sie seine Schönheit nicht ertragen.
Gleich darauf trat ein Mann in die Türöffnung. Er wirkte ebenso verhärmt und ohne Lebensfreude wie seine Frau. Stig Bovide war groß und hager, er hatte schüttere hellbraune Haare und blaue Augen. Er trug ein helles Hemd, das er in ein paar blaue Jeans gestopft hatte. Seine Füße steckten in Birkenstocksandalen. Seine Trauer füllte das Zimmer geradezu greifbar. Es war fast unerträglich heiß. Knutas hatte Durst, doch ihm wurde nichts zu trinken angeboten.
»Ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen«, begann er. »Wie Sie vielleicht schon wissen, leite ich die Ermittlungen. Ich war verreist, bin aber gestern zurückgekehrt und habe von Frau Jacobsson die Verantwortung übernommen. Sie ist meine Stellvertreterin.«
Er räusperte sich und fragte sich, warum er seine Zeit mit solchen Bemerkungen vergeudete.
»Ich hätte einige Fragen, die ich Ihnen gerne stellen würde.«
»Wir haben bereits mit der Polizei gesprochen«, sagte Stig Bovide. »Mit einem gewissen Kihlgård. Er war gestern hier.«
»Ja. Das weiß ich. Aber da ich nun Fall übernommen habe, wollte ich Sie gern persönlich kennenlernen. Ich hoffe, das ist Ihnen recht. Wir werden natürlich alles tun, was in unserer Macht steht, um den Täter ausfindig zu machen, und deshalb ist es wichtig, dass ich über Peter so viel weiß wie möglich. Könnten Sie mir erzählen, wie es ihm Ihrer Meinung nach in letzter Zeit gegangen ist?«
»Wie es ihm gegangen ist?«, wiederholte Katarina Bovide tonlos.
»Ich meine, wie es ihm so ganz allgemein ging, bei der Arbeit und in seiner Ehe.«
»Ja, ich weiß nicht.« Katarina Bovide zögerte mit der Antwort. »Es ging ihm wohl ziemlich gut. Er und Vendela hatten sicher ihre Probleme, aber auch keine schlimmeren als alle anderen jungen Eltern, oder?«
Sie schaute ihren Mann fragend an. Der sagte nichts, nickte aber.
»Sie hatten mit William und Mikaela natürlich alle Hände voll zu tun, aber wir haben nach besten Kräften geholfen. Im Moment sind die Kinder bei unserer Tochter in Othem. Wir hielten das für das Beste, sie wohnt auf dem Land und hat Tiere, und die Kinder sind da mit ihren Vettern und Kusinen zusammen. Da kommen sie doch auf andere Gedanken. Aber wir fahren jeden Tag hin. Bis Vendela sich wieder um sie kümmern kann.«
»Sie glauben also, dass es Peter ziemlich gut ging?«
»Na ja«, sagte Stig Bovide. »Was heißt schon gut. Er hatte seine Epilepsie, und die hat ihm zu schaffen gemacht. Das konnte ziemlich anstrengend sein.«
Knutas runzelte die Stirn.
»Er litt an epileptischen Anfällen?«
»Ja.«
»Wie oft?«
»Nicht so oft, vielleicht einige Male pro Jahr. Es wurde schlimmer, wenn er gestresst oder deprimiert war.«
»Deprimiert? War er das häufiger?«
Die Eltern schienen sich überhaupt nicht wohl in ihrer Haut zu fühlen.
»Er war ab und zu niedergeschlagen«, sagte die Mutter widerstrebend. »Und dann war er kaum ansprechbar. Er zog sich sozusagen in sich zurück.«
»Er hatte ein starkes Bedürfnis danach, allein zu sein«, fügte der Vater hinzu. »Deshalb war ihm das Laufen wohl so wichtig. Manchmal war er stundenlang unterwegs. Ich weiß, dass Vendela das nicht immer so ganz toll fand.«
»Sie fand natürlich, dass er sie und die Kinder zu lange allein ließ«, erklärte Katarina. »Das ist ja auch kein Wunder, er hat ja so viel gearbeitet«, sagte sie und
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