Sommerzeit
eben, aber jetzt habe …«
Das Gespräch riss ab. Die Akkus waren leer. Karin fluchte und rannte zur Fähre, wo soeben die Laufplanke eingeholt wurde.
»Wartet!«, schrie sie und fuchtelte mit den Armen.
Der Mann, der am Strand stand und die letzten Gepäckstücke an Bord hob, gab dem Kapitän ein Zeichen.
Karin dankte ihm, als sie keuchend an Bord stolperte.
Erleichtert erkannte sie Kapitän Stefan Norrström wieder und kletterte rasch zu ihm ins Steuerhaus.
»Hallo, kann ich bitte mal telefonieren?«
»Natürlich. Ist was passiert?«
»Ja, das kann man wohl sagen«, sagte Karin und öffnete den Ordner mit den alten Zeitungsausschnitten.
Sie wollte das Datum des Mordes an der jungen Deutschen überprüfen, ehe sie mit Knutas sprach. Der
Kapitän schaute neugierig über ihre Schultern in den Ordner.
»Ich muss die Kollegen verständigen. Dieses blöde Mobildings hier funktioniert nicht.«
»Ja, hier kann es manchmal Probleme mit der Verbindung geben.«
»Die Akkus sind leer. Und das Ladegerät liegt zu Hause in Visby«, sagte sie mit resigniertem Schulterzucken.
Sie hatte den Ausschnitt über den Mord an Tanja Petrov gefunden. Ging in Gedanken durch, was sie über den Fall wusste. Morgan Larsson fuhr immer zum selben Datum nach Gotska Sandön. Er hatte seit fünfzehn Jahren die Insel im Dreijahrestakt besucht, immer zwischen dem 21. und dem 23. Juli.
Ihr Blick fiel auf das Datum des Mordes. Tanja war in der Nacht vom 21. auf den 22. Juli 1985 ermordet worden. Ihr Leichnam war am 23. gefunden worden. Der Zusammenhang lag auf der Hand.
»Was haben Sie da?«, fragte der Kapitän neugierig, während er ihr den Telefonhörer reichte. »Geht das um die Frau, die damals hier draußen ermordet aufgefunden worden ist?«
»Ja«, sagte Karin kurz und nahm das Telefon. Sie hatte weder Lust noch Zeit, um Außenstehende in ihre Entdeckung einweihen.
Sie fing an, Knutas’ Nummer zu wählen.
»Haben Sie einen Schluck Wasser?«
»Natürlich.«
Stefan Norrström stand auf und drehte sich um, um eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank zu nehmen. Karin fing seinen Blick auf. Der war verändert.
K nutas sprach mit den Kollegen in Hamburg und bat sie, festzustellen, was aus der Familie geworden war, die im Juli 1985 ihre Ferien auf Gotska Sandön verbracht hatte. Ferien, die mit einer Tragödie geendet hatten. War es wirklich möglich, dass der Vater, Oleg Petrov, endlich den Tod seiner Tochter gerächt hatte?
Während er auf Antwort wartete, bat er alle Anwesenden aus der Ermittlungsleitung in sein Arbeitszimmer. Er teilte mit, was Karin hatte sagen können, ehe die Verbindung abgerissen war.
»Kann denn wirklich der Vater der Mörder sein«, sagte Kihlgård zweifelnd. »Nach so langer Zeit? Warum?«
»Ja, das ist eine gute Frage«, meinte Wittberg. »Irgendwas muss das alles ausgelöst haben.«
»Ich kann mich an den Fall erinnern«, warf Staatsanwalt Smittenberg ein. »Die Frau war zuerst verschwunden, und die Insel wurde komplett durchkämmt, jede Menge Leute haben bei der Suche geholfen. Dann wurde sie vor Gotska Sandön aus dem Wasser gefischt, vergewaltigt und ermordet. Eine entsetzliche Geschichte. Ein paar Männer hatten mit einem Boot angelegt und waren danach verschwunden. Sie konnten nie festgenommen werden.«
»Ich kann nicht verstehen, warum Karin nichts von sich hören lässt«, sagte Knutas gereizt. »Sie wollte doch von der Fähre aus sofort anrufen.«
»Dann ruf du sie doch an«, schlug Wittberg vor. »Lass sie über Lautsprecher ausrufen.«
»Ja, sicher …«
Knutas machte ein verlegenes Gesicht, wählte dann aber die Nummer der Zentrale, die ihn mit der M/S Gotska Sandön verband. Eine dunkle Stimme meldete sich über eine knackende Leitung.
»M/S Gotska Sandön. Kapitän Stefan Norrström.«
Knutas stellte sich vor.
»Könnte man eine bestimmte Person ausrufen lassen, die sich an Bord befindet? Über Lautsprecher zum Beispiel?«
»Um wen geht es denn?«
»Um eine Polizistin namens Karin Jacobsson.«
»Wollen Sie warten oder gleich noch mal anrufen?«
»Ich warte gern.«
»Okay.«
Knutas hörte, wie der Kapitän Karins Namen ausrief und sie bat, umgehend ins Steuerhaus zu kommen. Dann war er wieder in der Leitung.
»Wenn sie an Bord ist, dann muss sie jeden Moment hier sein. So groß ist das Boot ja nicht.«
»Okay.«
Die Minuten vergingen.
»Jetzt müsste sie doch gekommen sein?«
»Ja. Offenbar ist sie doch nicht an Bord.«
»Können Sie sie noch einmal
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