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Sommerzeit

Titel: Sommerzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mari Jungstedt
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nach dem Mord an Morgan Larsson hatte Stefan entdeckt, dass die Pistole aus dem abgeschlossenen Wohnzimmerschrank verschwunden war. Er hatte sie zur Rede gestellt, verstanden und vergeben. Er liebte sie, und ein Kind war unterwegs.
    Zusammen waren sie zu dem Schluss gekommen, dass die Polizei vermutlich niemals herausfinden würde, dass die schwangere Frau aus Kyllaj die Morde begangen hatte. Und dann könnten sie einfach ganz normal weiterleben.
    Sollte Vera jedoch unter Mordverdacht geraten, hatten sie einen Fluchtplan geschmiedet. Als Karin mit den alten Zeitungsberichten auf der Fähre von Gotska Sandön erschienen war, hatte Stefan gewusst, dass das Spiel verloren war. Er rief Vera an, die ihn in Fårösund am Anleger abholte. Sie hatte Gepäck, Pass und Geld bei sich. Um die Polizei in die Irre zu führen, fuhren sie zum Flugplatz und buchten den letzten Flug nach Stockholm. Sie stellten den Wagen ab und checkten ein. Statt aber durch die Sicherheitskontrolle weiterzugehen, verließen sie das Flughafengebäude
und nahmen ein Taxi zur Fähre, die um acht nach Nynäshamn ging. Vor dort aus wollten sie nach Arlanda weiterfahren und sich dort in ein Flugzeug setzen. Karin hatte nicht wissen wollen, wohin es gehen sollte.
     
    Sie setzte sich in den Sand und schaute aufs Meer hinaus. Sie fragte sich, wie die beiden der Polizei entkommen waren und was sie jetzt gerade wohl machten.
    Vermutlich sollte auch Karin über Flucht nachdenken. Sie hatte eine Doppelmörderin entkommen lassen. Wie sie zu dieser Entscheidung gekommen war, konnte sie nicht sagen. Vielleicht lag es einfach an der tragischen Geschichte der beiden jungen Frauen, die zwanzig Jahre zuvor einfach eine warme Julinacht unter freiem Himmel hatten verbringen wollen. Eine Nacht, die die ganze Familie zerstört hatte. Der Vater hatte sich das Leben genommen, die Mutter wurde tablettensüchtig und gab den Kontakt zu ihrer Tochter auf. Ließ sie mit ihren Schuldgefühlen allein.
    Vielleicht fand Karin das im tiefsten Herzen alles recht und billig. Vielleicht war es ihr leichtergefallen, ihren Entschluss zu fassen, weil sie bei der Entbindung dabei gewesen war, und vor allem, weil sie mit ihrem eigenen Trauma zu kämpfen hatte. Ihre eigene Tochter würde sie vermutlich niemals kennenlernen, falls diese Tochter sich nicht selbst auf die Suche nach ihrer biologischen Mutter machte. Und bisher hatte sie das nicht getan. In diesem Jahr wurde sie fünfundzwanzig. Karin wusste nicht, wer sie adoptiert hatte und wo sie gelandet war, sie wusste nur, dass sie nicht mehr auf Gotland lebte.
    Sie fragte sich, wie viel die Tochter wohl selbst über ihre Entstehung wusste. Sie hoffte, dass niemand ihr die Wahrheit gesagt hatte.

    Karin dachte an sie als Lydia, denn diesen Namen hatte sie ihrem Kind in dem dunklen Kreißsaal des Visbyer Krankenhauses gegeben. Im glücklichsten Moment ihres Lebens.
    In all diesen Jahren hatte sie ihren Eltern nicht verziehen. Als sie sich die Sache anders überlegt hatte und das Kind behalten wollte, hatten sie gesagt, das sei unmöglich. Alle Papiere seien bereits unterschrieben. Sie hatten in der gesamten Schwangerschaft nie gefragt, was Karin wollte oder wie ihr zumute sei. Sie hatten es als gegeben angesehen, dass das Kind verschwinden musste.
     
    An einem Donnerstagnachmittag war Karin allein durch den Wald geritten, das Pferd stolperte und lahmte danach. Sie musste zu Fuß nach Hause gehen. Auf dem Heimweg kam sie an dem einsam gelegenen Haus des Reitlehrers vorbei, ging hinein und bat, per Telefon Hilfe holen zu dürfen.
    Der Reitlehrer war allein zu Hause, seine Frau war mit den Kindern verreist, erklärte er. Sie führten das Pferd in den Stall und gingen ins Haus.
    Er führte sie ins Wohnzimmer und brachte ihr ein Glas Saft.
    Gleich darauf fiel er über sie her, riss ihr Pullover und Reithose vom Leib und vergewaltigte sie auf dem weinroten Teppich. Sie konnte sich noch daran erinnern, wie der an ihrem nackten Rücken gescheuert hatte.
    Danach durfte sie telefonieren. Ihr Vater holte sie und das Pferd ab. Der Reitlehrer war jovial und wirkte vollkommen ungerührt.
    Karin sagte niemandem etwas, nicht einmal ihren Eltern. Ab und zu begegnete sie dem Reitlehrer in der Stadt,
in der Post oder im Supermarkt, und ihr wurde schlecht, wenn sie ihn sah. Er ließ sich nichts anmerken.
    Als ihre Tage ausblieben und ihr morgens übel wurde, verdrängte sie das alles. Die Schande war zu groß. Am Ende war das nicht mehr möglich. Trotz der

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