Sommerzeit
schicken müssen, der doch den wahrscheinlicheren Fluchtweg darstellte. Zu spät hatte die Streife Stefan Norrströms Wagen entdeckt und Alarm ausgelöst. Jetzt konnten sie nur auf die Mitteilung der Kollegen aus Stockholm hoffen, dass das Paar dort verhaftet worden sei.
Als Knutas sein Zimmer auf der Wache betrat, klingelte sein Telefon. Sein Puls wurde schneller.
»Ja?«
Die Kollegen am Flughafen meldeten zu seiner Überraschung, dass Vera und Stefan Norrström nicht an Bord der Maschine nach Stockholm gegangen waren. Nach dem Einchecken waren sie spurlos verschwunden.
Knutas stieß eine Verwünschung aus. Verfluchte sich ein weiteres Mal. Die Gedanken wirbelten haltlos durch seinen Kopf. Hätte er die Fähre nicht auslaufen lassen dürfen? Sie hatten doch alle Räume durchsucht, aber vielleicht
… Auf jeden Fall war es zu spät, um sie zurückzurufen, aber sicherheitshalber wollte er die Kollegen aus Stockholm bitten, nach den Gesuchten zu fahnden, falls die sich wider Erwarten doch an Bord befanden.
Die Möglichkeit, dass sie sich noch auf Gotland befanden, gab ihm Hoffnung. Neue Energie stellte sich ein. Er gab Anweisung, auch die Fähren am nächsten Morgen zu durchsuchen und schickte Teile seiner Truppe zum Flughafen von Visby. In Zusammenarbeit mit der zentralen Polizei in Stockholm wurden alle weiteren schwedischen Flughäfen und Grenzposten informiert. Vera und Stefan Norrström wurden im ganzen Land zur Fahndung ausgerufen, und die Polizei gab diese Nachricht an Taxi- und Busfahrer weiter. Da Vera hochschwanger war, wurden auch Krankenhäuser und Entbindungsstationen alarmiert. Der Stress konnte schließlich den Geburtsvorgang auslösen.
Vielleicht bestand noch immer eine Möglichkeit, Stefan Norrström festzunehmen. Solange Beschlüsse gefasst werden mussten und Informationen erwartet wurden, brachte Knutas es nicht über sich, nach Hause zu gehen. Die Müdigkeit überfiel ihn in Wellen, aber er konnte sie mit Kaffee und einem seltenen Zug an der Pfeife verdrängen.
Er trat vor das geöffnete Fenster und blies den Rauch hinaus. Starrte in die Nacht von Visby und dachte über seinen Misserfolg nach. War er blind gewesen? Karin hatte bei ihrem Besuch auf Gotska Sandön die Zusammenhänge erkannt. Hätte er die nicht schon früher erfassen müssen? Die Polizei war alle auf Gotland lebenden Russen durchgegangen. Andererseits war es nicht leicht gewesen, von Vera Norrströms russischer Abstammung zu
erfahren. Sie kam aus Deutschland und trug jetzt einen schwedischen Nachnamen.
Er hätte nach Hause fahren müssen, wo er ebenso leicht zu erreichen wäre, wenn etwas passierte, aber die Unruhe machte ihm zu sehr zu schaffen. Er löschte die Pfeife und kehrte an seinen Schreibtisch zurück. Suchte ziellos in den Unterlagen über die Ermittlung und zerbrach sich den Kopf darüber, was er übersehen haben mochte.
Um zwei Uhr nachts setzte er sich verwirrt in seinem Sessel auf. Offenbar hatte er geschlafen, nun aber war er hellwach. Das Telefon hatte ihn geweckt. Abermals beschleunigte sein Puls sich, als er die Hand nach dem Hörer ausstreckte.
»Hallo, hier ist die Rezeptionschefin der Destination Gotland, Eva Dahlberg. Wir haben heute Abend miteinander gesprochen, als Sie und Ihre Kollegen die Fähre durchsucht haben.«
»Ja?«
»Bitte entschuldigen Sie, dass ich mitten in der Nacht anrufe, aber ich hatte ja Ihre Karte, und ich glaube, das hier kann wichtig sein. Stimmt es, dass Sie auch nach einer Frau gesucht haben und dass diese Frau schwanger ist?«
»Ja, das ist korrekt.«
»Also, es ist so, dass das Reinigungspersonal in einem Papierkorb am Ausgang des Bootes etwas gefunden haben, das aussieht wie Mutterkuchen. Es war in eine Plastiktüte eingepackt.«
Knutas wurde es eiskalt.
»Sind Sie sicher?«
»Tja, ich habe doch selbst Kinder, und ich glaube schon, dass das hier aussieht wie Mutterkuchen.«
»Gut.«
Knutas überlegte kurz. Er musste schnell reagieren.
»Das Boot darf Nynäshamn nicht verlassen.«
»Aber …«
»Kein Aber«, brüllte er. »Und werfen Sie den Mutterkuchen um Gottes willen nicht weg. Legen Sie ihn solange in einer Plastiktüte in den Kühlschrank.«
Verdammt, dachte er, als er den Hörer auf die Gabel gelegt hatte. Dann waren sie also doch auf der Fähre gewesen.
Sofort wurden die Ermittlungen nach Nynäshamn und das Stockholmer Umland verlegt. Die beiden hatten ein neugeborenes Kind bei sich und hatten vermutlich kein Auto, also würde es ihnen wohl
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