Sommerzeit
er am anderen Ende der Leitung Wittbergs aufgeregte Stimme. »Wir haben Karin gefunden. Sie war gefesselt und in einen Laderaum auf der Fähre eingesperrt. Stefan Norrström hatte sie niedergeschlagen und dort reingesteckt.«
»Verdammt! Wie geht es ihr?«, fragte Knutas besorgt.
»Sie ist arg mitgenommen, aber weiter scheint ihr nichts zu fehlen. Ist nur reichlich ausgetrocknet. Wir sind gerade unterwegs zum Krankenhaus. Wie läuft es bei euch?«
»Wir sind in dem Haus in Kyllaj, aber die beiden sind nicht hier. Ich nehme an, sie werden versuchen, die Insel zu verlassen, deshalb gebe ich Alarm. Wir reden später weiter.«
»Okay, ich lasse von mir hören, wenn ich Karin ins Krankenhaus gebracht habe.«
Knutas erteilte den Kollegen sofort etliche Befehle. Der Flughafen und die Fährgesellschaft mussten alarmiert werden. Plötzlich fiel ihm auf, dass Kihlgård verschwunden war, aber dann sah er ihn mit einem schnurlosen Telefon in der Hand aus der Küche kommen.
»Ich glaube, ihr könnt den Flugplatz vergessen. Ich habe die Nummer überprüft, die zuletzt mit diesem Telefon angerufen worden ist, und die gehört der Fährgesellschaft. Das nächste Boot geht um acht, also in zwanzig Minuten.«
D ie Fähre zum Festland hatte noch nicht ablegen können, aber alle fünfzehnhundert Fahrgäste befanden sich bereits an Bord. Um einen Ausbruch von Panik zu verhindern, war mitgeteilt worden, dass das verspätete Auslaufen einem harmlosen technischen Problem zuzuschreiben sei, das sehr bald behoben sein würde. Die Polizisten, die sich nun an Bord begaben, trugen Zivil. Die Fähre hatte neben dem Fahrzeugdeck zwei weitere Decks, und die Polizisten verteilten sich.
Knutas und Kihlgård standen am Informationstresen, um sich an der Überprüfung der Kabinen zu beteiligen. Die Fährangestellte hinter dem Tresen reichte ihnen vier Karten, die als Universalschlüssel fungierten.
Aus dem Augenwinkel fielen Knutas zwei Personen auf, die eilig auf ihn zukamen. Er drehte sich und sah zu seinem Erstaunen, dass es sich um Karin und Wittberg handelte.
»Was macht ihr denn hier?«, fragte er. »Wolltet ihr nicht ins Krankenhaus?«
Karin sah zwar erschöpft aus, aber sie wirkte entschlossen.
»Glaubst du, ich will den Spaß verpassen? Ich hatte nur schrecklichen Durst. Ich hab auf der Fahrt hierher einen
Liter Wasser und ebenso viel Saft gekippt. Das ist mehr als genug.«
Wittberg machte eine resignierte Handbewegung.
»Sie wollte einfach nicht ins Krankenhaus. Was machen wir jetzt?«
»Okay, wir haben uns aufgeteilt. Wir sind so gut wie sicher, dass die beiden hier an Bord sind. Das ganze Terminal ist abgesperrt, fliehen können sie also nicht mehr. Jetzt müssen wir sie nur noch finden. Martin und ich wollten gerade die Kabinen überprüfen.«
Er verteilte die Hauptschlüssel, und sie gingen getrennt los. Karin begann mit den backbord gelegenen Kabinen, eine Treppe höher. Sie klopfte gar nicht erst an, sondern riss sofort die Türen auf.
»Polizei«, schrie sie und hielt die Waffe anschlagbereit.
Die erste Kajüte war leer, die andere ebenfalls, in der dritten schlief ein älterer Mann. Die vierte Kabine enthielt eine Gruppe junger Männer, die mit Biertrinken und Kartenspielen beschäftigt waren. Sie starrten Karin überrascht an. Dann folgte eine lange Reihe von leeren Kabinen.
Schließlich hatte sie das Ende des Ganges erreicht. Es standen noch zwei Kabinen aus. Sie war außer Atem vor Anstrengung. Ihr Kopf dröhnte. Als sie die Karte ins Schloss steckte, passierte gar nichts. Sie machte mehrere Versuche, aber das Schloss klemmte.
Plötzlich hörte sie aus der Kabine ein Geräusch. Ein Mensch jammerte. Es hörte sich an wie halb erstickte Schreie, die durch einen Knebel drangen. Verdammt, dachte sie. Sie war allein auf diesem Deck, ihre Kollegen waren einen Stock tiefer. Sie zog ihr Telefon hervor, um Knutas zu verständigen. Nein, verdammt, das war ja nicht geladen.
Einige Sekunden stand sie unschlüssig da. Sollte sie nach unten laufen, um die anderen zu holen, und riskieren, dass die Norrströms verschwanden, falls sie sich in dieser Kabine versteckt hatten? Sie mussten gehört haben, wie sie gerufen und versucht hatte, die Tür zu öffnen.
Sie versuchte es noch einmal mit dem Schloss, dann schob sie die Karte zwischen Tür und Rahmen. Endlich gab das Schloss nach, und Karin drückte auf die Klinke.
Als sie Vera Norrströms vor Panik weit aufgerissene Augen sah, waren die Bilder wieder da. Fragmentarisch,
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