Somnambul Eliza (German Edition)
war ein Erlebnis
besonderer Art. Es war ein einmaliger Luxus, das Wasser ganz für sich allein zu
haben, den einem weder öffentliche Bäder noch Hotelpools boten. Mit einer
Fußspitze testete Eliza die Temperatur des Wassers und war angenehm überrascht,
dass Wilbert beim Anpreisen des Pools nicht übertrieben hatte. Sie stieg die
Treppe hinunter und ließ sich dann in das warme Wasser gleiten. Es war völlig
ruhig hier unten und die sanften schwappenden Geräusche, die das Wasser bei jedem
ihrer Schwimmzüge verursachte, drangen nur gedämpft an ihre Ohren. Durch das
Sandsteingewölbe über ihr und die geschickte Ausleuchtung des Raumes, kam Eliza
sich vor wie in einer unterirdischen Grotte. Das Becken war größer, als sie es
bei ihrem ersten Besuch abgeschätzt hatte und man konnte bequem ein paar
langgestreckte Züge machen ohne andauern die Richtung wechseln zu müssen.
Entspannt und erfrischt stieg sie aus
dem Wasser und ließ sich wenig später von Wilbert zum Museum fahren. Sie sagte
ihm, dass es heute Abend etwas später werden würde, weil sie um 18 Uhr noch
einen Gast zu einer Sonderführung erwartete. Das Wetter war ungemütlich und
nasskalt und sie war froh, als sie den kurzen Weg im Eilschritt zurückgelegt
hatte und in die Wärme und Helle des Museumsfoyers eintauchte. Die erste
Gruppe, die sie heute führen würde, bestand aus Informatikern einer kleinen, in
Wien ansässigen IT-Firma. Wie immer in solchen Fällen, verlagerte sie den
Schwerpunkt ihrer Führung auf die architekturgeschichtlichen und designorientierten Elemente der Ausstellung und verbrachte
mehr Zeit im Saal der Wiener Werkstätten als vor den Gemälden von Klimt,
Schiele und Kokoschka.
Von der zweiten Führung wusste sie nur,
dass es sich um eine Privatführung für einen einzelnen Geschäftsmann handeln
würde, nicht aber, aus welchem Bereich der betuchte Besucher stammen würde.
Solche Sonderführungen außerhalb der regulären Öffnungszeiten des Museums gab
es relativ häufig und das kostspielige Angebot wurde im Allgemeinen von
Menschen genutzt, die nur für sehr kurze Zeit in der Stadt weilten und zwischen
Meetings und Flügen nicht die Möglichkeit hatten, die gängigen Zeiten
einzuhalten und außerdem nicht die Geduld und Zeit hatten, die städtische
Museumslandschaft auf eigene Faust zu erkunden. Eliza hatte mit solchen Leuten
bereits sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht, doch allen gemein war, dass
sie ein straff durchorganisiertes Programm mit prägnanten, konkreten
Schlagworten und eine möglichst große Anzahl betrachteter und besprochener Kunstwerke
in möglichst kurzer Zeit wünschten.
Zwischen den Führungen blieb Eliza noch
Zeit für einen schnellen Kaffee im Museumscafé, dann erwartete sie ihren Gast
wie gewöhnlich im Foyer. Es war gleich zehn nach sechs und der Gast damit
bereits fast zehn Minuten zu spät. Ein wenig genervt schaute Eliza auf ihre
Uhr, als ein Mann im wehenden schwarzen Mantel zielstrebig auf sie zugeeilt
kam.
Im ersten Moment glaubte sie, einer
Sinnestäuschung zum Opfer gefallen zu sein, doch als er näher herankam,
erkannte sie in ihm eindeutig René und hätte am liebsten im gleichen Moment die
Flucht ergriffen. Sie spürte, wie ihr die Gesichtszüge entglitten, als er
plötzlich direkt vor ihr stand und sie auf seine typische überschwängliche Art
begrüßte. Auch zu seinem Repertoire gehörte ein klassischer Handkuss, doch
deuteten seine kalten Lippen die Berührung nicht nur an, sondern pressten sich
merklich auf ihren Handrücken.
„Ist Ihnen nicht wohl, Eliza? Sie sehen
so blass aus, meine Liebe“, sagte er, während er von ihrer Hand aufblickte und
ihr prüfend in die Augen sah.
„Ich bin gekommen, um endlich selbst
Zeuge Ihrer allseits gepriesenen Fertigkeit der Kunstvermittlung zu werden. Ich
hoffe, Sie sind nicht unpässlich und verweigern mir Ihre hochgelobten Dienste?“
fuhr er vordergründig besorgt fort, doch hinter seinen Worten meinte Eliza eine
Drohung zu vernehmen.
„Ich war nur überrascht, Sie hier zu
sehen und freue mich natürlich außerordentlich über Ihren Besuch, René“, log
sie.
„Oh, ich bin ein großer Kunstfreund und
wann immer ich es mir einrichten kann, besuche ich die Museen, Ausstellungen
und Galerien der Städte, in denen ich mich gerade aufhalte. Allerdings muss ich
gestehen, dass mein Herz besonders an einigen Vertretern der Gegenwartskunst
hängt.“
„Nun, auch die zeitgenössische Kunst ist
ein weites Feld und vielleicht werden Sie
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