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Somnambul Eliza (German Edition)

Somnambul Eliza (German Edition)

Titel: Somnambul Eliza (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Nailik
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und strahlte
jetzt weit bis in den Rücken aus. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn.
    Was tat Valeriu jetzt? Lag er eine Etage
unter ihr in seinem prunkvollen Bett und schlief? Wohin würde er in wenigen
Stunden wieder verschwunden sein? Er ließ sie über so vieles im Unklaren und
doch meinte sie, ihn zu kennen und trotz der vielen Ungereimtheiten konnte sie
nicht ernsthaft an Valeriu zweifeln. Eliza versuchte sich selbst zu beruhigen
und vor allem versuchte sie, sich von den Schmerzen abzulenken. Sie hatte sich
immer auf ihre untrügerische Menschenkenntnis
verlassen können; wie sonst war es zu erklären, dass sie gegen René vom ersten
Tag an eine natürliche Abscheu gehegt hatte, während sie sich in Valeriu so
bedingungslos verliebt hatte und ihm trotz seiner vielen Geheimnisse ihr ganzes
Vertrauen schenkte? Wahrscheinlich hatte René mit dem kleinen Fünkchen
Misstrauen, das er mit seinen Äußerungen gesät hatte, schon sein Ziel erreicht.
     
    Eliza schlief kaum in dieser Nacht. Ihr
Rücken und die Gedanken an René und Valeriu ließen sie immer wieder aufwachen
und dann fror sie und wurde auch nicht mehr richtig warm. Felis hatte sich
einen der unteren Zipfel der Bettdecke erobert und thronte inmitten der weichen
Daunen wie eine Königin. Sie hatte offenbar keine Lust, als Wärmflasche zu
fungieren und verteidigte den einmal eroberten Platz stoisch. Elizas Schulter
brannte inzwischen wie Feuer und machte es ihr unmöglich, überhaupt ans
Schlafen zu denken. Gegen fünf Uhr entschied sie, hinunter in die Küche zu
gehen und nachzusehen, ob sich dort eine Schmerztablette und eine Flasche Milch
finden würden. Eine heiße Milch war das beste Mittel gegen Schlaflosigkeit und
gegen das nächtliche Frieren.
    Sie schlüpfte in Bademantel und
Hausschuhe, wobei sie beim Kontakt des Bademantels mit ihrer lädierten Schulter
um ein Haar laut aufgejault hätte, und schlich dann den Flur entlang. Es war
völlig still im Haus und sie gab sich alle Mühe, den alten Parkettboden nicht
unnötig knätern und knarzen zu lassen. Das ganze Haus
war sparsam, aber ausreichend beleuchtet und sie brauchte nicht nach Lichtschaltern
zu suchen. Trotzdem machten der lange Korridor und das herrschaftliche
Treppenhaus um diese Zeit einen fremden und irgendwie unheimlichen Eindruck.
Bei Nacht wirkte immer alles ein bisschen anders, wie ein wenig verzerrt. Eliza
wusste, dass das an der Ruhe und den veränderten Lichtverhältnissen lag und
doch verursachte es bei ihr eine latente Gänsehaut. Die vielen Türen wirkten
plötzlich größer und dunkler, die Kleinmöbel im Flur und vor allem die Gemälde
und die Skulpturen auf den Demi- Lune -Tischchen
geheimnisvoller als bei Tag. Eine der Statuetten war ihr bislang gar nicht
aufgefallen, nun stach sie ihr förmlich ins Auge.
    Es handelte sich um eine Bronze-Replik
von Camille Claudels Walzer , den die Künstlerin ihrem Geliebten Claude Debussy zum Geschenk
gemacht hatte. Eliza kannte das Werk nur aus einer einzigen Perspektive,
nämlich aus der, in der es in allen Katalogen und Kunstbüchern abgebildet wird.
Hier stand es ein bisschen anders zum Betrachter, weswegen sie es wohl auch
nicht gleich erkannt hatte. Nun hatte sie Gelegenheit, die Figurengruppe aus
allen Richtungen zu betrachten. Sah man in den Reproduktionen immer lediglich
ein sinnlich tanzendes Paar mit entblößten Oberkörpern, das bis zur Hüfte von
einem wellenartigen Faltenwurf umspült wurde, was der poetischen Skulptur
Dynamik verlieh, war der Eindruck nun ein sehr viel differenzierter. Der
schöne, muskulöse Mann war völlig nackt, nur die Frau wurde von der Draperie
verhüllt. Außerdem waren sie mitnichten beide in der gleichen tänzerischen
Bewegung eingefangen, vielmehr schien die Frau ohnmächtig das Gleichgewicht
verloren zu haben und der Mann fing sie gleichermaßen zärtlich und kraftvoll in
seinen Armen auf. Sein zu ihr herabgebeugtes Gesicht lag weniger an ihrer
Wange, als vielmehr an ihrem Hals, den sie ihm freimütig darbot.
    Eliza spürte, wie ihre Füße zu
Eisklötzen gefroren, während sie wie ein hypnotisiertes Kaninchen die kleine
Skulptur betrachtete, die sie sich doch eigentlich viel besser morgen im Hellen
würde ansehen können. Sie riss sich also vom Anblick des so schönen wie
seltsamen Tanzpaares los und stieg die Treppe hinab. Schon von den untersten
Treppenstufen aus sah sie, dass die Tür zu Valerius Arbeitszimmer einen Spalt
offen stand und dass durch diesen grelles Licht fiel. Sicherlich

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