Somnambul Eliza (German Edition)
Whisky-Flasche, aus der er
sich bediente, war mindestens hundert Jahre alt.
Er nahm einen Schluck, ehe er ihr
antwortete: „Ja, ein bisschen vielleicht. Ich schätze dieses Buch, weil es
viele Wahrheiten enthält. Über die Welt, über die Menschen, über
meinesgleichen. Wahrheiten wie diese: Meine Welt hat sich gewandelt,
weil du aus Elfenbein und Gold erschaffen wurdest. Die geschwungenen Linien
deiner Lippen schreiben die Geschichte neu.“
Valerius samtige Stimme war pure
Verführung.
„Ich habe diese Zeilen immer gemocht,
aber erst jetzt weiß ich, für wen sie bestimmt sind.“
Er prostete Eliza lässig zu, sah ihr
dabei aber so intensiv in die Augen, dass sie sich im magischen Blick seiner
bunten Opalaugen verfing, wie in einem Spinnennetz. Hätte sie sich nicht schon
längst in ihn verliebt, wäre sie seiner betörenden Nonchalance und seinem
enormen Charme spätestens jetzt rettungslos erlegen.
„Ich muss mich unbedingt bei Stephan melden“,
durchbrach Eliza später am Abend die Stille, die im Salon geherrscht hatte und
die vom Knistern des Kaminfeuers noch unterstrichen worden war. Sie hatten
gemeinsam auf der übergroßen Couch gesessen und beide gelesen; nun schaute
Valeriu von seinem Buch auf.
„Du hast recht. Du hättest ihn schon
längst informieren sollen. Der Arme wird glauben, du seist entführt worden.“
Eliza druckste ein wenig herum: „Am
Wochenende war er auf einer Fortbildung und gestern wollte ich ihn anrufen.
Aber ich habe es nicht übers Herz gebracht.“
Tatsächlich hatte sie zwischendurch
schon mehrmals das futuristisch geformte Bang & Olufsen -Telefon
zur Hand genommen, das auf ihrem Schreibtisch stand und sogar schon zweimal
Stephans Nummer gewählt, doch jedes Mal gekniffen, noch ehe das Freizeichen
ertönte. Sie wusste nicht, wie sie ihrem besten Freund und Nachbarn ihren
plötzlichen, fluchtartigen Auszug erklären sollte und von René wollte sie ihm
lieber nichts erzählen. Also hatte sie es vorgezogen, ihm eine SMS zu senden, in
der stand, dass es ihr gut ginge und sie ein paar Tage bei Valeriu
wohnen würde. Dass sie damit ziemlich untertrieben hatte, wusste sie selbst als
sie an die halbe Wohnung dachte, die Valeriu ihr in seiner Villa eingerichtet
hatte.
„Ich denke, du solltest ihn hierher
einladen. Wenn er weiß, wohin es dich verschlagen hat und dass er hier ein
willkommener Gast ist, wird er dir den Auszug vielleicht nicht mehr ganz so
übel nehmen. Vielleicht möchte er ja heute Abend noch vorbeikommen. Ich kann
ihm Wilbert vorbeischicken oder ein Taxi.“
Eliza lächelte: „Das wird nicht nötig
sein. Im Gegensatz zu mir hat Stephan einen richtigen Job und auch ein Auto.
Aber wäre es dir wirklich recht, wenn er noch käme?“
Valeriu beugte sich zu ihr hinüber und
gab ihr einen Kuss in die Halsbeuge. „Er ist dein bester Freund. Natürlich ist
es mir recht. Du bist im Übrigen jetzt hier zu Hause und kannst einladen wen
und wann immer du es willst. Ich weiß ohnehin, dass ich dich viel zu viel
allein lasse. Wenn es dir also zum Beispiel in den Sinn kommen sollte, einen
Salon für Kunst oder Literatur zu eröffnen und damit eine lang vergessene
Tradition dieses ehrwürdigen Hauses wieder aufleben zu lassen, dann würde ich
das begrüßen.“
Sie tippte ihm schmunzelnd an die Stirn:
„Ich glaube, die Zeiten der musischen Salons sind leider vorbei, Herr Baron.“
Es dauerte kaum mehr als eine halbe
Stunde, bis das Klingelsignal ertönte, das darauf hinwies, dass jemand ohne
Schlüsselgewalt vor dem Eingangstor stand und Einlass erbat. Stephan hatte am
Telefon ein bisschen verschnupft geklungen und Eliza hatte sich daraufhin
entschieden, ihn erst einzuladen und ihm dann später zu gestehen, dass sie mehr
oder weniger aus ihrer Wohnung ausgezogen war. Als sie die Einladung
ausgesprochen hatte, hatte Stephans Stimme sofort belebter geklungen und Eliza
hatte ihm die ungeduldige Neugier angehört. Valerius Villa und die Einrichtung,
von der ihm Eliza vorgeschwärmt hatte, stach ihm schon lange in der Nase und so
hatte sich Stephan gleich auf den Weg gemacht.
Wilbert hatte bereits das Knöpfchen
gedrückt, das veranlasste, dass das Tor wie von Geisterhand geöffnet wurde und
Valeriu und Eliza gingen Stephan entgegen, der mit seinem weißen Käfer Cabrio
gerade einmal auf dem Vorplatz im Kreis fuhr, offenbar unschlüssig, wo er den
Wagen parken sollte, um ihn dann schließlich direkt vor dem Eingang
abzustellen.
„Das ist ja der Hammer! Allein
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