Somnambul Eliza (German Edition)
Jugendstilschlafzimmer. So ganz aus einem Guss und alles im Original,
das ist eine echte Rarität. Darf ich fragen, woher Sie ihre Möbel beziehen?“
„Nun, ich stamme aus einer alten
Familie. Vieles sind Erbstücke“, gab Valeriu ein wenig ausweichend zur Antwort,
aber Stephans Interesse war geweckt.
„Haben Sie eine sehr große Familie? So
ein Familientreffen unter Aristokraten stelle ich mir sehr glamourös vor.“
„Tut mir leid, mit einer großen
Sippschaft kann ich leider nicht dienen. Ich habe keine Angehörigen mehr“,
entgegnete Valeriu mit einem entschuldigenden Lächeln.
„Oh, das tut mir leid. Aber das erklärt
natürlich, dass all die schönen Antiquitäten bei Ihnen gelandet sind. Um solche
Erbstücke gibt es nämlich gewöhnlich mächtig Streit und dann werden die schönsten
Ensembles einfach auseinandergerissen oder landen letzten Endes bei uns im
Auktionshaus.“
Valerius Lächeln wurde zu einem
Schmunzeln: „Das ist in der Tat ein Jammer. Mir würde es vermutlich sehr schwer
fallen, mich von meinen Möbeln zu trennen; schließlich lebt man mit ihnen und
knüpft Erinnerungen an sie.“
„Valeriu hat einen riesigen Kellerraum
voll alter Möbel und Antiquitäten, aber er hütet sie wie einen Schatz und hat
mir bisher keinen Zutritt zu seinem Heiligtum gewährt“, warf Eliza ein.
„Du hast ja auch keine Ahnung, wie es da
unten aussieht. Wahrscheinlich würde dich das kalte Entsetzen packen.“ Und auf
Elizas verständnislosen Blick hin, fügte Valeriu hinzu: „Wegen dem Staub, den
Spinnweben und der Unordnung.“
„Ich könnte mal vorbeikommen und ganz
unverbindlich den Wert dieser Möbel für Sie schätzen. Das würde ich wirklich
gern für Sie tun, Herr Baron. Als Freundschaftsdienst“, bot sich Stephan sofort
eifrig an.
„Vielen Dank für das nette Angebot. Aber
die Stücke haben für mich einen ideellen Wert, der Schätzwert spielt da keine
Rolle“, erklärte Valeriu freundlich aber bestimmt.
„Das verstehe ich natürlich voll und
ganz, Herr Baron. Sollten Sie dennoch einmal aus reinem Interesse und purer
Neugier wissen wollen, was Ihre Schätze auf dem Markt wert sind, wenden Sie
sich bitte jederzeit vertrauensvoll an mich, Herr Baron.“
Es war überdeutlich, dass Stephan
weniger an Valerius Neugier dachte, als vielmehr an seine eigene. Valeriu
grinste und Eliza vermutete, dass er sich über die andauernde Betonung seines
Adelstitels amüsierte, bei dessen Betonung aus Stephans Mund man jeden Moment
auf den zugehörigen Bückling wartete.
„Sie sind Elizas bester Freund und
Elizas Freunde sind auch die meinen. Ich denke, wir sollten einander duzen,
Stephan“, bereitete Valeriu der Sache ein Ende und seinem entzückten Gegenüber
gleichsam einen unvergesslichen Abend.
Eine
weitere Woche verging, in der Eliza wegen des schlechten Wetters viel Zeit an
ihrem Schreibtisch verbrachte und jeden Nachmittag darauf wartete, dass Valeriu
nach Hause kam. Hatten sie sich anfangs nie vor sechs getroffen, kam Valeriu
nun meistens schon gegen vier aus dem Büro. Sie unternahmen romantische
Winterspaziergänge in der Dämmerung und einmal gingen sie gemeinsam einkaufen,
wobei Valeriu einen sündhaft teuren, eisgrauen Wildledermantel mit opulentem
Kragen von Fendi für Eliza erstand und ihn ihr ohne
Anlass zum Geschenk machte.
Danach sahen sie sich zusammen mit den Ionescus Die Fledermaus im Theater an der Wien an.
Anschließend fuhren sie hinaus nach Klosterneuburg, um den Abend in der Cottagestil -Villa der Ionescus ausklingen zu lassen, deren verwunschenen Garten mit den hohen Hecken, dem
Rosengarten und den Kräuter- und Heilpflanzenbeeten Eliza zu gern bei
Tageslicht und ohne die alles uniformierende Schneedecke besichtigt hätte. Auch
der Zugang zu dem idyllischen Gartenhaus, in dem Aurica ihre Praxis
eingerichtet hatte, war leider durch den starken Schneefall versperrt.
Das ganze Haus war im geschmackvoll
gediegenen englischen Regency - und Landhausstil des
ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts möbliert ohne diesen zu
verkitschen oder überzustrapazieren. Auch hier gab es Unmengen alter Bücher,
doch alles war weniger ordentlich als bei Valeriu und die Bücher, die nicht
mehr in die sich unter der Last biegenden Regale und Bücherschränke passten,
stapelten sich auf Tischen und in Zimmerecken. Überhaupt gab es überall etwas
zu entdecken und man musste eigentlich mehr als ein Menschenleben Zeit haben,
um so viele schöne Dinge anzusammeln. Auch Aurica
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