Somnambul Eliza (German Edition)
repräsentiert.“
„Glaubst du, Valeriu weiß um all diese
Bedeutungsgehalte? Vielleicht ist es ein Erbstück und er hat sich überhaupt
nicht mit den Details beschäftigt“, meinte Eliza.
Es fiel ihr schwer, Valeriu mit diesen
Dingen in Verbindung zu bringen.
„In einer solchen Konzentration
von magischen Symbolen halte ich einen Zufall für nahezu ausgeschlossen. Wer
ein solches Schmuckstück verschenkt, weiß zumindest ansatzweise um seine
Bedeutung“, mutmaßte Sibylle voller Überzeugung.
„Und alles zusammengenommen? Was soll
der Ring bewirken?“
„Ein magisches Artefakt ist eine sehr
komplexe Angelegenheit. Ich kann nur die einzelnen Elemente deuten. Mit welcher
Zielsetzung der Ring aber aufgeladen worden ist, kann ich dir nicht sagen.
Valeriu hat dir doch geschrieben, dass der Ring dich beschützen soll. Dann ist
das seine Aufgabe, mein Kätzchen.“
Damit gab sie Eliza den Ring zurück, der
sich sogleich wieder warm und angenehm um ihren Finger schmiegte.
„Wie ich dich kenne, hast du seit
Stunden nichts gegessen. Du solltest noch etwas zu dir nehmen, sonst knurrt dir
heute Nacht der Magen“, empfahl Sibylle fürsorglich, doch Eliza lehnte ab.
„Ich habe keinen Hunger. Ich werde jetzt
einfach ins Bett gehen. Es war in den letzten Wochen immer sehr spät.“ Sie rang
sich ein Lächeln ab, um nicht ganz so depressiv zu klingen, wie sie sich
fühlte.
Doch Sibylle fühlte sich trotzdem
veranlasst, sie in einer liebevollen Umarmung an sich zu drücken.
„Morgen, wenn die Sonne scheint, sieht
die Welt schon ganz anders aus, mein Kätzchen“, versprach sie voller
Überzeugung.
Eliza lag an diesem Abend noch lange
wach in ihrem Bett. Als sie nach Wien gezogen war, hatte sie anfangs oft ein
bisschen Heimweh gehabt, wenn sie nicht einschlafen konnte. Aber es hatte nicht
so sehr wehgetan wie heute Nacht. Dieses Gefühl also beschrieb das Bild von
Prometheus, dessen Leber immer wieder aufs Neue von einem Adler gefressen
wurde. Es fühlte sich an, als reiße jemand unbarmherzig tiefe Löcher in ihren
Leib. Sie versuchte, sich Valeriu in allen Einzelheiten ins Gedächtnis zu
rufen. Den Klang seiner Stimme, den Duft seiner Haare, die Farben seiner Augen.
Ihr Verstand wusste, wie albern das war. Schließlich hatte sie ihn gestern
Abend noch gesehen. 24 Stunden waren weiß Gott keine lange Trennung. Außerdem
hatte sie allein diese Entscheidung getroffen und niemand sonst. Sie war eine
erwachsene, selbstständige Frau und die Symptome, die ihr Körper zeigte, waren
allenfalls besorgniserregende Anzeichen für emotionale
Abhängigkeitserscheinungen. Aber egal, wie sehr sie sich selbst zu analysieren
versuchte, die Schmerzen blieben. Sie vermisste Valeriu so sehr.
Am
nächsten Morgen waren die Löcher immer noch da. Zu ihnen hatten sich lediglich
auch noch kleine Hunger-Löcher in der Magengegend gesellt, die wohl für die
latente Übelkeit verantwortlich zeichneten, mit der Eliza erwachte. Die
Digitalanzeige des Weckers zeigte 11:20. Trotzdem fühlte sich Eliza kein
bisschen ausgeruht. Kopf und Glieder schmerzten wie nach einer durchzechten
Nacht, die von getrockneten Tränen verklebten Augen brannten. Eliza fühlte sich
wie gelähmt und völlig antriebslos, als hätte man ihr den Stecker herausgezogen
und ihr Körper funktioniere nur noch im Energiesparmodus. Sie brauchte mehrere
Anläufe, bis die Information, aufstehen zu wollen, von ihrem Gehirn an die
entsprechenden Stellen ihrer widerstrebenden Muskulatur weitergeleitet, dort
registriert, verarbeitet und schließlich mit deutlicher Verzögerung umgesetzt
wurde. Die nächsten, nahezu unüberwindbar erscheinenden Hürden bestanden darin,
sich ins Bad zu begeben und sich etwas anzuziehen. Dabei beging sie den
kapitalen Fehler, einen Blick in den Spiegel zu werfen. Was sie da sah, war ein
Zerrbild ihrer selbst. Ihre Gesichtsfarbe war ungesünder und durchscheinender,
als am ersten Tag der Grippe. Von gestern auf heute schienen ihre blonden
Locken jegliche Spannkraft eingebüßt zu haben, die wohlgeformten Wangenknochen
auf die sie immer stolz gewesen war, sahen aus wie ein Gerüst für ihre
eingefallene Wangen und ihre Augen lagen gerötet in tiefen Höhlen. Sie hatte es
ein Leben lang vermieden, sich von einem Mann abhängig zu machen. Doch das hier
übertraf ihre schlimmsten Befürchtungen. Sie war Valeriu sowohl psychisch als
auch physisch verfallen – ein ganz und gar inakzeptabler und völlig unwürdiger
Zustand, aus dem sie sich zu
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