Somnambul Eliza (German Edition)
der
Vampire und böse Geister vertreiben sollte. Die Vampire waren wohl zu jener
Zeit an jenen Orten ebenso archaisch und abergläubig ,
wie die Menschen, denn das einzig wirklich wirksame Mittel gegen Vampire ist
das Artefakt, das du am Finger trägst.“
„Das sind doch keine Beweise für die
Existenz von Vampiren. Bist du einem begegnet? Und woher kennst du meinen
Ring?“ Eliza gab sich alle Mühe, sich klar und deutlich zu artikulieren, doch
das Zittern war nicht aus ihrer Stimme zu vertreiben.
„Ich sehe diesen Ring heute zum ersten
Mal, Eliza. Es gibt nur diesen einen einzigen auf der Welt und ich hatte seine
Existenz ebenso angezweifelt wie du die Existenz von Vampiren. Aber es gibt
eine Legende, die von ihm handelt und die sein Erscheinungsbild und seine
Wirkungsweise sehr genau beschreibt. Wie du vielleicht weißt, ist das Schillern
eines Opals auf das in ihm eingeschlossene Wasser zurückzuführen. Der Legende
nach ist der Stein, den du am Finger trägst, in Siebenbürgen gefunden worden.
Statt des Wassers aber enthält er eine andere Substanz. Einen winzigen Tropfen
Vampirblut.“
Eliza erschauerte bei dem Gedanken und
rieb unwillkürlich mit den Fingern der anderen Hand über den Ring an ihrem
Finger. Er war kühl und schimmerte beruhigend in den schönsten Blau- und
Grünnuancen, wie man es von einem hochwertigen Schwarzopal erwartete.
„Mein Ring ähnelt also dem Ring in einer
Legende. Darauf allein stützt du deine These?“ wollte sie wissen.
„Lass mich dir ein paar Fragen stellen,
Kind. Ich denke, die Vampire von heute leben in ungeahnter Freiheit, eben weil
die Menschen nicht an ihre Existenz glauben und weil nicht sein kann, was nicht
sein darf. Sie können sich in den großen Städten weitaus freier bewegen, als
ihre Artgenossen damals in den rumänischen Dörfern, wo jeder jeden kennt und
das Misstrauen gegenüber Fremden groß ist. Ich glaube kaum, dass sie in Gräbern
und Gruften hausen und Leichen schänden. Aber ich denke, einige Tatsachen
werden sich nicht geändert haben. Der Mann, der dir den Ring geschenkt hat,
bist du ihm schon einmal bei Tageslicht begegnet? Weißt du, wie er sich
ernährt?“
Eliza wurde abwechselnd heiß und
eiskalt. Kalter Schweiß trat ihr auf die Stirn.
„Das ist absolut absurd“, stotterte sie
und erhob sich von ihrem Platz, wobei sie an ihr Wasserglas stieß, das mit
einem merkwürdig kristallenen Klang über die marmorne Tischplatte rollte, ohne
zu zerschellen.
„Entschuldigt mich.“
Sie brauchte dringend frische Luft,
anderenfalls drohte ihr Kopf zu explodieren. Sibylle stand auf und wollte ihr
folgen, doch Ileana hielt ihre Freundin am Ärmel fest.
„Was auch geschieht, nimm den Ring nicht
ab. Und halte dich von diesem Mann fern“, gab sie
Eliza warnend mit auf den Weg, doch ihre Worte verhallten, als wollte man sich
an Worte aus einem Traum erinnern.
Es hatte zu schneien begonnen. Im Licht
der Schaufenster und der Straßenlaternen tanzten die luftigen Schneeflocken wie
kleine weiße Elfen vor dem dunklen Abendhimmel. Das Fridericianum wurde von
Scheinwerfern in ein grünliches Licht getaucht und kündete von glanzvollen
Zeiten.
In Elizas Kopf überschlugen sich die Gedanken.
Sie hatte Valeriu niemals bei Tageslicht gesehen, er hatte in ihrer Gegenwart
kein einziges Mal gegessen.
Ich bin nicht der, für den du mich
hältst und es ist gefährlicher für dich, mit mir allein zu sein, als du denkst.
Es gibt da etwas, das auf mir lastet wie ein Fluch, der zu schrecklich ist, als
dass ich ihn mit dir teilen könnte. Du solltest dich von mir fernhalten.
Seine Worte hallten in ihrem Inneren
wieder, dröhnend und unheilvoll und jedes von ihnen verursachte höllische
Schmerzen. Normalerweise nahm Eliza im Dunkeln niemals allein den Fußweg durch
die Aue, aber heute dachte sie gar nicht darüber nach. Was sollte ihr auch
zustoßen? Sie fühlte sich leer. Wenn sie hinfiele, davon war sie überzeugt,
würde sie in tausend gläserne Scherben zerbrechen.
Wenn es wirklich stimmte, dann hatte ihr
Valeriu immer wieder Hinweise gegeben, ihr die Möglichkeit gegeben, sein
Geheimnis selbst zu ergründen. Sie dachte an seine schönen eiskalten Hände, an
seine marmorne Haut. Wie lange hatte sie alle Indizien ignoriert und mühsam
umgedeutet, in logische Bahnen umgeleitet. Eben weil nicht sein konnte, was
nicht sein durfte. War der unvorstellbare Gedanke nicht schon einmal ganz zu
Anfang aufgeblitzt? Sie hatte ihn verworfen, ohne ihn wirklich gedacht zu
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