Somnambul Eliza (German Edition)
wissen.
„Wir haben uns in Wien kennengelernt. Er
stammt aus Rumänien, daher haben wir an dich gedacht“, erklärte Eliza.
„Dann ist es kein Zufall“, murmelte
Ileana.
„Was ist kein Zufall? Was ist mit dem
Ring?“ wollte Eliza wissen. Die Nervosität schnürte ihr förmlich die Kehle zu.
„Dieser Ring, er hat eine besondere
Bewandtnis.“
„Er soll mich beschützen“, erklärte
Eliza zögernd.
„Ja, Kind. Er soll Schutz gewähren. Aber
weißt du auch, wovor?“
Eliza brachte es nicht übers Herz, zu
sagen, dass der Ring bei Valeriu Alarm geschlagen hatte. Also schüttelte sie
mit dem Kopf.
„Dieser Ring beschützt seinen Träger vor Vampiren .“
Ileanas Stimme war nur
noch ein Flüstern und Eliza hatte das Gefühl, etwas Schweres, Dumpfes habe sie
mit großer Wucht am Kopf getroffen. Das Blut rauschte ihr in den Ohren und
plötzlich war alles so unwirklich. Das konnte unmöglich ernst gemeint sein.
„Die gibt es nicht. Soll das ein Scherz
sein?“ Elizas Lippen bildeten diese Worte und schickten sie auf die Reise, ohne
dass ihr Gehirn in diesen Prozess eingeweiht worden wäre. Die Worte klangen
fremd und wie durch Watte an ihre Ohren und da war noch ein Geräusch, ähnlich
einem verhaltenen, hysterischen Kichern, das sie erst als ihr eigenes erkannte,
als sie ihm eine Weile versonnen gelauscht hatte.
Eliza blickte zwischen den beiden alten
Frauen hin und her, die sie besorgt musterten. Die Ähnlichkeit mit zwei Hexen
war doch nicht von der Hand zu weisen. Eliza dachte an die beiden unheimlichen
alten Tanten aus Wenn die Gondeln Trauer tragen . Sie hätte weder das
Buch lesen noch den Film schauen sollen. Seither fürchtete sie sich vor kleinen
Kindern in roten Mänteln. Man sollte kleinen Kindern einfach keine roten Mäntel
anziehen. Sie sahen darin aus wie böse Gnome. Andererseits konnten erwachsene
Frauen durchaus rote Mäntel tragen. Ein kirschroter Burberry-Trenchcoat konnte
ein geschmackvolles Fashion-Statement sein. Allerdings musste man sich
vorsehen, ihn nicht zu sehr im Rosemarie Nitribitt -Stil
zu stylen. Rosemaries Baby war auch so ein furchtbarer Film gewesen, der
noch lange an den Nerven zerrte. Die diffus bedrohliche Atmosphäre solcher Suspense -Perlen machte einen sehr viel nachhaltigeren
Eindruck, als jedes blutrünstige Splatter-Movie . Blut .
Mit einem Schlag war Eliza wieder in der
Wirklichkeit angelangt. Ileana hatte gesagt, ihr Ring beschütze seinen Träger
vor Vampiren. Da war er also, der tiefe rumänische Aberglaube und wer könnte
dem besser anheimfallen, als eine Frau, die ihren Lebensunterhalt mit der
Wahrsagerei bestritt.
„Ileana, bei allem Respekt, ich glaube
nicht an solche Dinge. Es gibt keine Vampire“, sagte sie ruhig.
„Hat er die Farbe verändert? Ist er schon
einmal blutrot gewesen, der Opal?“
Eliza nickte widerstrebend.
„Wer war da in deiner Nähe?“
„Es ist beim Kartenlegen passiert“,
meldete sich Sibylle zu Wort. „Er hat auf zwei Männer reagiert.“
Ileana nickte, als hätte sie etwas
in dieser Art erwartet.
„Auch auf den Mann, der dir den Ring
geschenkt hat?“ wollte sie wissen und ihre großen, freundlichen Augen fixierten
Eliza mit ungeahnter Strenge.
„Ja“, Elizas Stimme klang schauderhaft.
Ihr Hals fühlte sich so trocken an, als wäre sie ohne Wasser durch die Wüste
geirrt.
„Hör mir zu, Kind. Was ich dir jetzt
sage, klingt wie Altweibergeschwätz oder hinterwäldlerischer Aberglaube.
Vampire gehören im 21. Jahrhundert zusammen mit Hexen, Werwölfen und
Frankensteins Monster auf die Kinoleinwand und nicht in deinen aufgeklärten
Universitätskosmos. Und dennoch existieren sie. In meiner Heimat ist man sich
ihrer Existenz noch heute bewusst. Die alten Geschichten, Mythen und Bräuche
sind dort nie in Vergessenheit geraten. Hierzulande ist das anders. Schon in
der Aufklärung, während der Vampirpanik Mitte des 18.
Jahrhunderts, hat man versucht, den Vampirismus als medizinisch-pathologisches
Phänomen zu entlarven. Seither ist versucht worden, jede Art übernatürlicher
Phänomene wissenschaftlich zu analysieren und zu erklären. Wo das nicht
gelungen ist, hat man den Mantel des Schweigens ausgebreitet oder diese Dinge
sind in den Bereich des Mythos, des Volksglaubens, des Okkultismus verbannt
worden.
Ich erinnere mich noch genau an den Drudenfuß
auf der Schwelle des Hauses meiner Großmutter, der immer wieder mit Kreide
nachgezogen wurde und an den Geruch der Knoblauchstränge und des Fenchels,
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