Somnambul Eliza (German Edition)
maskenhaft starres Antlitz.
Wie hatte sie diesen Mann nur einen
Moment lang für einen Vampir halten können? Alles was eben passiert war, hatte
diese alberne Theorie auf so schreckliche Weise Lügen gestraft. Sie wünschte
fast, Ileana hätte richtig gelegen. Dann hätte Valeriu am helllichten
Nachmittag nicht auftauchen können und ihm wären diese Verletzungen erspart
geblieben.
Als sie wenig später die Notaufnahme der
Universitätsklinik erreichten, wurde es bereits dunkel. Die Abläufe hier waren
von anonymer Professionalität geprägt. Valeriu wurde sofort in einen
Operationssaal gebracht, während Eliza auf dem Flur Platz nehmen und warten
musste. Die kalte Neonbeleuchtung, der Linoleum-Boden, der lange gerade
Korridor, der Geruch nach Desinfektionsmitteln machten sie gleichermaßen nervös
wie apathisch.
Wie hatte Valeriu das nur wissen können?
Sie hatte sich nicht angemeldet. Er konnte nicht wissen, dass sie schon heute
nach Wien zurückkehren würde. War ihre Seelenverwandtschaft so eng, dass ihn
allein sein Gefühl zum Bahnhof geleitet hatte? Er hatte sie schon wieder
beschützt und zum zweiten Mal hatte er dabei sein Leben riskiert. Der Angriff
hatte ihr gegolten und dennoch war sie nahezu unversehrt, während er so schwer
verletzt worden war, dass er jetzt um sein Leben kämpfen musste. Sie machte
sich solche Vorwürfe. Er hatte sie gerettet, sie vor einer Vergewaltigung,
vielleicht vor dem Tod bewahrt, um seinen Heldenmut nun so teuer zu bezahlen.
Irgendwann zwischendurch bat man Eliza,
Angaben zu Valerius Person zu machen.
„Er hatte keinen Ausweis und keine
Brieftasche bei sich“, erklärte die rundliche Verwaltungsangestellte
entschuldigend. Als man sie so befragte, wurde Eliza bewusst, wie wenig sie
noch immer über Valeriu wusste. Sie nannte der Frau seinen Namen, doch sie
konnte weder seinen Geburtstag noch sein Geburtsjahr nennen und sie wusste
außer seinem homöopathischen Magenmittel nicht, ob er irgendwelche Medikamente
nahm. Dann bat man sie, Angaben zum Hergang des Überfalls zu machen und ließ
sie schließlich wieder allein. Es dauerte eine Weile, bis eine junge Ärztin zu
ihr kam.
„Sie sind mit dem Überfallopfer vom
Bahnhof hergekommen, richtig?“
Eliza nickte. „Wie geht es ihm? Wie
schlimm ist es?“
„Sind Sie mit ihm verwandt?“
„Nein. Ich bin seine – Lebensgefährtin“,
erklärte Eliza. Der Anfang ihrer Antwort hatte zögerlich geklungen, doch das
letzte Wort war plötzlich ganz selbstverständlich über ihre Lippen gekommen.
Die Ärztin lächelte. „Ich kann Sie
beruhigen. Er hatte Glück im Unglück. Der Täter hat ihm ziemlich tiefe
Stichwunden beigebracht und er hat viel Blut verloren. Aber wie durch ein
Wunder ist das Messer, wo es wirklich hätte gefährlich werden können, an seinen
Rippen abgeprallt. Es sind keine Organe verletzt worden. Wir haben einige der
Wunden kleben können, zwei mussten genäht werden. Er ist jetzt im Aufwachraum.“
„Darf ich zu ihm?“ Elizas Stimme bebte.
„Ich habe im Bericht des Notarztes
gelesen, dass Sie bei dem Überfall auch etwas abbekommen haben. Hier steht der
Verdacht auf eine Gehirnerschütterung. Ich würde Ihren Kopf gern röntgen, um
eventuelle Schädelverletzungen oder Halswirbelfrakturen auszuschließen.“
Etwas widerstrebend folgte Eliza der
Ärztin, doch es stellte sich heraus, dass sie außer ein paar Prellungen und
blauen Flecken keine Verletzungen davongetragen hatte.
„Dann bringe ich Sie jetzt in den
Aufwachraum. Aber ich vermute, er wird noch schlafen.“
Das Bild, das sich Eliza bot, war noch
erschreckender, als im Krankenwagen. Valeriu lag ebenso regungslos da, wie
vorhin, doch inmitten des sterilen Umfeldes und der weißen
Krankenhaus-Bettwäsche, ähnelte seine Hautfarbe mehr der einer Leiche als der
eines Lebenden und sein ebenmäßiges, entspanntes Gesicht wirkte so entrückt wie
das eines Engels.
Elizas Blick fiel auf den Tropf mit der
farblosen Flüssigkeit, der mit einer Kanüle an Valerius Handgelenk
angeschlossen war.
„Das ist eine NaCl -Lösung
zum Ausgleich des Blutverlustes“, erklärte die Ärztin. „Kommen Sie jetzt. Sie
können draußen im Korridor warten. Man wird sie informieren, sobald er wach ist
und ihn dann in eines der normalen Krankenzimmer verlegen.“
Eliza saß schon wieder eine Weile auf
einem der unbequemen Metallstühle im Flur, als plötzlich Valerius Handy in
ihrer Handtasche klingelte.
„Miss Hoffmann, es freut mich Ihre
Stimme zu hören.
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