Somnambul Eliza (German Edition)
schnell
handeln“, erklärte Aurica und musste dabei ein herzhaftes Gähnen unterdrücken,
was gar nicht zu dem passen wollte, was sie soeben erzählt hatte.
„Pass auf! Die Ampel ist rot!“ schrie
Eliza und Aurica musste eine Vollbremsung hinlegen. Die Reifen quietschten
bedenklich und der Fahrer des Wagens, mit dem es fast zum Zusammenprall
gekommen wäre, quittierte das riskante Manöver mit einem wütenden Hupkonzert,
doch der Mercedes kam gerade noch rechtzeitig zum Stehen.
„Ich weiß nicht, was mit mir los ist.
Ich fühle mich so müde und ich habe Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren. Das
bin ich nicht gewohnt“, erklärte Aurica und Eliza beobachtete, wie sich ihre
sehnigen, blassen Finger um das Lenkrad krallten.
„Es tut mir wirklich leid. Ich bin keine
waghalsige Fahrerin und ich wollte dich bestimmt nicht in Gefahr bringen“,
entschuldigte sich Aurica, doch dann schaute sie plötzlich zu Eliza hinüber und
ihr Blick fiel auf den Opal-Ring.
Auricas grüne Augen weiteten sich in
Erstaunen und Entsetzen.
„Woher hast du diesen Ring?“ wollte sie
wissen und ihre bebende Stimme klang herrisch. Die gleiche Frage hatte Eliza
schon einmal in nahezu identischem Ton gehört. Sie schaute ebenfalls auf den
Ring an ihrem Finger – der Stein war jetzt blutrot.
„Valeriu hat ihn mir geschenkt“,
erklärte sie ruhig, doch sie spürte, wie in ihr die Panik aufstieg.
„Er hat ihn dir geschenkt?“ echote
Aurica sichtlich um Fassung bemüht. Sie schüttelte mehrmals den Kopf, als müsse
sie ihrer Verblüffung zusätzlich einen optischen Ausdruck verleihen.
„Also gut. Valeriu wird seine Gründe
gehabt haben, auch wenn ich diese Entscheidung nicht ganz nachvollziehen kann.
Aber ich bitte dich innständig, diesen Ring abzuziehen, Eliza.“ Bei den letzten
Worten hatte Auricas Stimme fast flehend geklungen.
Eliza schüttelte langsam den Kopf. „Sag
mir, warum ich das tun sollte, Aurica.“
„Das ist ein antikes Stück aus unserer
alten Heimat. Valeriu hatte kein Recht, ihn zu verschenken. Er gehört in ein
Museum“, erklärte Aurica, doch Eliza hatte die Unsicherheit in ihrer sonst so toughen Stimme erkannt.
„Das ist nicht der wirkliche Grund. Sag
mir endlich die Wahrheit, Aurica“, bat Eliza mit leiser Verzweiflung.
Inzwischen hatten sie Valerius Anwesen
erreicht. Die Porsche-Limousine stand bereits direkt vor der Haustür. Die
Männer waren also schon da.
„Eliza, ich bitte dich, zieh den Ring
ab. Ich verspreche dir, wir werden dir drinnen alles erklären. Aber mit dem
Ring darfst du nicht in Valerius Nähe kommen. In seinem Zustand wäre das
lebensgefährlich.“
„Und ist es für mich nicht
lebensgefährlich, ihn in eurer Gesellschaft abzulegen?“
Eliza sah das Erstaunen in Auricas
giftgrünen Augen.
„Du weißt es schon?“ fragte sie tonlos.
Eliza schüttelte mit dem Kopf. „Nein,
ich weiß gar nichts. Aber man hat mir etwas über diesen Ring erzählt.“
Einen schrecklichen Moment lang
herrschte Stille. Dann nickte Aurica widerstrebend.
„Du hast Recht, Eliza. Prinzipiell sind
wir die Gefahr, vor der dich der Ring beschützen soll. Wir werden durch die
Magie deines Ringes geschwächt und daran gehindert, dich zu unserem Opfer zu
machen. Aber Laurin und mir und ganz besonders
Valeriu ist es die ganze Zeit auch ohne den Ring gelungen, dich nicht zu
gefährden.“
Elizas Finger verkrallten sich in den
Nahtfalten des weichen Sitzleders. Abgesehen davon verharrte sie völlig
regungslos. Ihr Herz raste nicht, sie hyperventilierte nicht, ihre Zähne
schlugen nicht schnatternd aufeinander. Es schienen sich weder eine Ohnmacht
noch eine Panikattacke anzukündigen, nur die Zeit stand einfach still.
Ihr Leben hatte sich verändert, seit sie
Valeriu begegnet war. Seit gestern hatte es begonnen, völlig aus den Fugen zu
geraten. Aurica hatte das Wort nicht benutzt. Dennoch waren plötzlich keine
Missverständnisse mehr möglich. Was sie so hartnäckig zu leugnen versucht
hatte, war nun eine Tatsache und ihr wurde bewusst, dass sie es bis zu diesem
Moment nicht einen einzigen Augenblick wirklich geglaubt hatte. Aber jetzt
zählte nicht mehr länger, was sie glaubte, sondern nur noch, was sie wusste und
wie sie nun mit diesem Wissen umgehen sollte. Obwohl sie sich seit gestern
Abend mit nichts anderem beschäftigt hatte, hatte sie diese Frage verdrängt.
„Eliza, kannst du mich hören? Bitte,
sprich mit mir!“
Eliza wusste nicht, ob Aurica sie zum
ersten oder zum wiederholten Mal
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