Somnambul Eliza (German Edition)
preisgegeben. Sie hatte weder etwas von
Ileana erzählt noch hatte sie ihm von dem Überfall am Bahnhof berichtet.
So würde es von jetzt an immer sein. Sie
würde vor allen, die sie liebte und wertschätzte, Geheimnisse haben müssen,
ihnen niemals die ganze Wahrheit anvertrauen können. Eliza schlang sich das
rosa-beigefarbene Hermès -Tuch um den Hals, das
Valeriu ihr bei einem ihrer abendlichen Bummel durch die Stadt gekauft hatte
und setzte die übergroße Gucci-Sonnenbrille auf, ehe sie auf die Straße trat,
denn es war noch immer empfindlich kalt bei strahlendem Sonnenschein und Eliza
schaute unwillkürlich ein wenig wehmütig zu dem kristallklaren blauen Himmel
hinauf. Wilbert nahm ihr den Katzenkorb ab und Eliza stieg in den Fond der
Limousine.
Sie schaltete ihr Handy ein und fand
gleich darauf eine lange Liste mit Uhrzeiten, zu denen Oma Sibylle in den
letzten zwei Tagen versucht hatte, sie vom Festnetz oder vom Mobiltelefon aus
zu erreichen.
„Gott sei Dank, Kätzchen!“ rief Sibylles
verrauchte Stimme ins Telefon, ehe Eliza sich gemeldet hatte. „Ich war wirklich
drauf und dran, nach Wien zu kommen, um nach dem Rechten zu sehen“, fuhr sie
fort. „Lediglich die Karten haben mich davon abgehalten. Sie haben versucht,
mich davon zu überzeugen, dass es dir gut geht. Die haben leicht reden. Aber
jetzt erzähl erst mal.“
Erst jetzt überlegte Eliza, dass sie
lieber nicht aus dem Auto hätte anrufen sollen, denn vor Wilbert frei zu
sprechen, war ihr immer noch ein bisschen unangenehm. Trotzdem erzählte sie von
dem Überfall, verschwieg aber, wie schwer Valeriu verletzt worden war, um nicht
von seiner wundersamen Heilung erzählen zu müssen. Trotzdem war Sibylle
erschüttert und wurde nicht müde, nachzuhaken, ob Eliza auch wirklich nichts
passiert sei.
„Ihr seid also noch zusammen“, stellte
Sibylle abschließend fest. Ihr Tonfall war voll jener schicksalsergebener
Milde, die nur Großmütter für die Entscheidungen ihrer Enkel empfinden und
vermitteln können.
„Ja, Omi, das sind wir. Und ich bin
glücklich darüber, denn ich liebe Valeriu von ganzem Herzen“, sagte Eliza fest.
Es entstand eine kurze Pause, der ein
zeitschindendes Raucherhusten folgte.
„Dann soll es wohl so sein, Kätzchen.
Grüß deinen Baron von mir und sag ihm, dass ich mich darauf freue, ihn
kennenzulernen. Sag ihm, dass deine Oma eine Nachteule ist und dass wir einen
kühlen, dunklen Keller haben.“
Eliza lächelte und schickte einen Kuss
durchs Telefon. „Danke, Omi. Ich hab dich lieb.“
In einer Boulevardsendung, die gerade im
Radio lief, wurde berichtet, dass man schon wieder die blutleere Leiche einer
jungen Frau gefunden hatte und diesmal zuckte Eliza zusammen. Wilbert wechselte
den Sender, doch obwohl auf der neuen Frequenz gerade Avalon von Roxy Music gespielt wurde, blieb das mulmige Gefühl.
„Haben
Sie noch andere Besorgungen zu machen, Miss Hoffmann?“ wollte Wilbert wissen,
doch Eliza verneinte. Sie wollte auf dem schnellsten Weg nach Hause.
Valeriu erwartete sie im großen Salon
und wirkte noch immer recht müde, als er sich ihretwegen aus dem Sessel erhob.
„Du siehst aus wie ein Leinwandstar der 60er
Jahre“, erklärte er mit einem verlockenden Lächeln, ehe er sie küsste. Auch die
cremefarbenen Vorhänge der raumhohen Fenster und Flügeltüren waren zugezogen
und das diffus durchscheinende Sonnenlicht tauchte den Raum und Valerius
blasses Gesicht in ein warmes, unwirkliches Licht.
Wilbert ließ Felis aus dem Korb, was mit
einem dankbaren Schnurren quittiert wurde. Dann zog sich der Butler zurück.
„Wo ist eigentlich Cosmin ?
Ich habe ihn den ganzen Tag noch nicht gesehen“, fragte Eliza besorgt.
Valerius Blick war schwierig zu deuten.
Auf jeden Fall lag etwas Amüsement darin, die Besorgnis jedenfalls schien er
nicht mit ihr zu teilen.
„Bist du ihm schon jemals am Tag
begegnet?“ fragte er zurück.
Eliza erstarrte. „Wie lange sagtest du,
hast du Cosmin schon?“
„Ich sagte noch gar nichts darüber“,
entgegnete er sanft. „Er ist mein Gefährte seit sehr langer Zeit.“
Eliza nickte langsam.
„Er ist ein Vampir-Kater?“ Ihre Stimme
hatte ein wenig schriller geklungen, als beabsichtigt.
„Ja, so könnte man es nennen. Aber die
Unterschiede zwischen ihm und einer gewöhnlichen Katze sind nicht so groß, da
Katzen von Natur aus nachtaktive Jäger sind. Er saugt die Mäuse aus, statt sie
aufzufressen und er sucht sich ein dunkles Plätzchen, um den Tag
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