Somnambul Eliza (German Edition)
Kätzchen.“
„Ich dich auch, Omi“, erwiderte Eliza,
doch die Leitung war schon tot. Sie musste an Oma Sibylles legendären
arabischen Mokka denken, den sie ganz klassisch im Ibrik auf dem Herd zubereitete, und ihr war, als stiege ihr der kräftige Geruch nach
Kaffee und Kardamon in die Nase.
Nebenbei schaute Eliza Barry Ryan bei
einem alten, in schwarz-weiß gefilmten Beatclub-Auftritt zu. Seiner expressiven
Mimik nach zu urteilen, gab er seinen Schmacht-Hit Eloise zum Besten,
den Eliza nicht allein wegen der Namensähnlichkeit mochte. Doch sie ließ den
Fernseher lautlos, was der gefühlvollen Performance in der schlichten
Studiokulisse einen eigenwilligen, skurrilen Charakter verlieh.
Eliza hing ihren Gedanken nach. Genau
genommen wusste sie noch immer ausgesprochen wenig über Valeriu, doch musste
sie sich eingestehen, dass dieser Mann dabei war, ihr Herz zu erobern, wie es
noch keinem gelungen war. Valeriu war anders als alle Männer, denen sie bislang
begegnet war und sie hatte kaum für möglich gehalten, dass Männer wie er
überhaupt existierten. Eliza hatte gefürchtet, diese Gattung sei bereits im
vergangenen Jahrhundert ausgestorben und einem solchen Exemplar in freier
Wildbahn zu begegnen schien etwa so wahrscheinlich, wie auf ein lebendiges
Wolpertinger zu treffen. Der Mythos eines gutaussehenden, gebildeten,
kultivierten und noch dazu heterosexuellen Mannes schien ihr eine reine,
realitätsferne Ausgebucht übersteigerter weiblicher Phantasien. Und all diese
Eigenschaften vereinigte Valeriu auf geradezu vollkommene Weise. Seinen
wunderbaren bunten Augen und seiner betörenden Stimme war sie schon bei ihrer
ersten Begegnung verfallen, aber heute hatte sie sich in den Mann verliebt,
dessen Augen nur zufällig so schön und dessen Stimme nur zufällig so erotisch
war. Sie hatte sich in den Mann verliebt, der sich von Egon Schieles Selbstseher in seinem Herzen berühren ließ und sich nicht scheute, es zu zeigen und der von
einer Opernaufführung so lebendig und bildhaft erzählen konnte, dass sie zum
Leben erwachte. Valeriu war ein vollendeter Gentleman alter Schule und sah
dabei aus wie ein Rockstar mit Modelvertrag. Er war ein Baron mit Butler und
Limousine, von Kopf bis Fuß in die teuersten Designerstücke gehüllt und doch
erschien der Luxus bei ihm so selbstverständlich und nonchalant, dass sie all
das vergaß und nur noch diesen feinsinnigen, klugen Mann sah, dessen Gegenwart
ihr so gut tat.
Eliza
schlief ruhig und fest in dieser Nacht, doch am frühen Morgen spürte sie erneut
die vermeintliche Berührung der kühlen Hand auf ihrer Wange. Aber diesmal hatte
die kleine Vision nichts Bedrohliches an sich und Eliza lächelte im Halbschlaf.
Dann drehte sie sich auf die andere Seite und wickelte sich etwas fester in
ihre Bettdecke.
Den Freitag-Vormittag verbrachte Eliza mit der
Lektüre für ihre Doktorarbeit, doch am Nachmittag hatte sie sich mit Stephan im
Demel verabredet und sie freute sich schon darauf, ihm vom gestrigen Abend zu
berichten.
Es schien heute trocken zu bleiben, wenn
auch der für das Wiener Wetter typische kühle Westwind pfiff. Stephan stand
bereits vor dem Eingang und winkte ihr fröhlich zu, als Eliza am Kohlmarkt
eintraf. Beide liebten diese gemeinsamen Nachmittage im Kaffeehaus. Sie suchten
sich einen der kleinen runden Marmortische im ersten Stock. Eine besonders
freundliche, etwas korpulente Demelinerin in dem typischen schwarzen Kleid mit
weißem Spitzenkragen stellte die obligatorische Frage „Haben schon gewählt?“,
die ein hübsches Relikt aus den kaiserlichen Zeiten der K. u. K.
Hofzuckerbäckerei war.
Eliza und Stephan entschieden sich für
die traditionelle Annatorte und eine Wiener Melange. Dann platze Stephan
heraus: „Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt, als du nach Hause gekommen
bist? Ich konnte kaum schlafen vor lauter Aufregung. Nicht dass ich dachte, es
wäre dir was zugestoßen. Aber du hättest doch wenigstens ganz kurz erzählen
können wie es war, statt mich bis heute Nachmittag auf die Folter zu spannen.“
„Wenn du mit deiner Anklage fertig bist,
stehe ich dir gerne Rede und Antwort.“
„Dann leg schon los. Ich will alles
wissen – en detail .“
Eliza entschied sich, alles der Reihe
nach zu berichten. Also begann sie bei Valerius ungewöhnlichem Namen und dabei,
dass er ein rumänischer Adeliger war. Bei Stephan hatte diese Information
wieder das altbekannte Quieksen zur Folge und ein
hingerissenes „Wie
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