Somnambul Eliza (German Edition)
Sind Sie einverstanden, dort mit mir zu speisen?“
Eliza
war einverstanden und die Limousine setzte sich in Bewegung.
Der Kellner begrüßte sie äußerst
verbindlich und sprach Valeriu hochachtungsvoll mit „Herr Baron“ an. Damit
wusste Eliza, dass Valeriu zu allem Überfluss auch noch einen Adelstitel sein
eigen nannte. Der Kellner führte sie zu einer der gemütlichen Nischen im Stüberl , in denen man ganz für sich bleiben konnte,
ohne den Blicken der anderen Gäste ausgesetzt zu sein. Valeriu half Eliza aus
dem Mantel und rückte ihr den Stuhl zurecht. Dann saßen sie einander gegenüber
und Eliza überkam das gleiche prickelnde Gefühl der Intimität, das sich ihrer
bereits vor einer Woche im Aufzug bemächtigt hatte. Schließlich sagte Valeriu:
„Sie sind nicht von hier. Woher kommen Sie und was hat Sie nach Wien
verschlagen?“
Eliza antwortete wahrheitsgemäß, dass
sie ihr Studium der Kunstwissenschaft und Literaturwissenschaft in ihrer
hessischen Heimat absolviert hatte und auch dort ihren Doktorvater hatte. Doch
ihr Promotionsthema hatte sie zu den Originalen in Wien gezogen und so
arbeitete sie nun für ein Semester am hiesigen kunstgeschichtlichen Institut
bei einem befreundeten Professor ihres Doktorvaters.
Nach einer Pause sagte sie: „Nun wissen
Sie, wie ich nach Wien gekommen bin. Aber was hat Sie hierher geführt, Herr
Bazon-Arany?“
Valeriu schien einen Moment lang über
ihre Frage nachzudenken. Dann antwortete er: „Ich bin in der glücklichen Lage,
meinen Beruf von fast jedem Ort der Welt aus ausüben zu können und Wien ist
eine Stadt, die mich schon immer fasziniert hat. Sie ist so reich an Kunst,
Kultur und Geschichte. Ich liebe die Mentalität der Menschen hier, den Wiener Schmäh
– und den Hang zur Morbidität.“
„Das ist eine merkwürdige Begründung.
Aber Sie haben Recht. Kaum irgendwo liegen Lebensbejahung und Todessehnsucht so
nahe beieinander wie in Wien. Die ganze österreichische Kunstgeschichte zeugt
von dieser Ambivalenz – sei es der Jugendstil, der österreichische
Expressionismus oder der Wiener Aktionismus.“
Dann wurde ihr Gespräch durch den
Kellner unterbrochen, der ihre Bestellung aufnahm. Eliza entschied sich für ein
Chicorée-Schaumsüppchen mit Granatapfelkernen und für ein klassisches Wiener
Schnitzel, während Valeriu ein steirisches Beef Tartar und eine
Carpaccio-Variation wählte, die gar nicht auf der Karte stand.
Als serviert wurde, träufelte er
unauffällig, aber für Eliza dennoch sichtbar, einige Tropfen einer dunklen
Flüssigkeit aus einer kleinen Pipettenflasche in seinen sündhaft teuren
französischen Rotwein. Auf ihren fragenden Blick hin entgegnete er mit einem
entschuldigenden Lächeln: „Das ist nur ein pflanzliches Magenmittel. Ich mische
es bevorzugt in Rotwein, weil es darin farblich nicht auffällt. Zum Glück hat
es keinen Eigengeschmack. Sonst würde ich das als bekennender Weinliebhaber
wohl schwerlich übers Herz bringen.“
Elizas Suppe und auch das Schnitzel
schmeckten hervorragend, doch Valeriu schien keinen großen Appetit zu haben. Er
gab sich offenbar Mühe, diese Appetitlosigkeit zu vertuschen und verhielt sich,
wie Eliza es einmal von Karl Lagerfeld gehört hatte. Er aß nur winzige Häppchen
und schob das Carpaccio auf seinem Teller hin und her.
„Wenn Sie Magenbeschwerden haben, ist
das späte Essen sicherlich nicht besonders zuträglich für Sie. Wir hätten auch
irgendwo einen Drink nehmen und auf das Abendessen verzichten können“, äußerte
Eliza besorgt.
Er lächelte entspannt und gar nicht wie
jemand, der Magenschmerzen hatte.
„Ich habe Ihnen schon im Museum
angesehen, dass Sie Hunger haben. Bitte tun Sie mir den Gefallen und essen Sie
tüchtig. Jemand mit Ihrer zarten Statur sollte keine Mahlzeit ausfallen lassen.
Mir ist es eine Freude, Ihnen beim Essen zuzusehen, wenn Sie erlauben.“
Eliza spürte, wie sie errötete und sie
war dankbar für das gedämpfte Licht im Raum. Offenbar war alle Welt besorgt,
dass sie verhungern könnte. Scheinbar war es Valeriu aber trotz des
Dämmerlichts nicht entgangen, denn er sagte: „Ich wollte Sie nicht in
Verlegenheit bringen. Bitte entschuldigen Sie, das stand mir nicht zu.“
Sie lächelte ihn an und entgegnete:
„Scheinbar sehe ich einfach aus, als müsse man sich Gedanken um meine Ernährung
machen.“
Ohne Umschweife widersprach er ihr:
„Nein, Sie sehen fantastisch aus“, und der glühende Blick seiner magischen
Augen ließ Eliza erneut
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