Somnambul Eliza (German Edition)
erröten. Wie schon so oft, waren seine wohlklingenden
Worte schlicht, aber von höchster Präzision. Dann ergänzte er: „Ich verspreche,
ich werde Ihnen nicht beim Essen zusehen. Aber ich werde Ihnen währenddessen
etwas erzählen, wenn es Ihnen recht ist.“
Und
dann erzählte er ihr von einer Oper, die er kürzlich in Prag gesehen hatte. Es
handelte sich um Benjamin Brittens Thomas-Mann-Adaption Death in Venice und
Valeriu schilderte ihr die Aufführung in so leuchtenden Farben, dass es Eliza
bald vorkam, als sei sie selbst dabei gewesen. Wie ein Déjà - Vu stellten sich die Bilder ein und es war ihr, als höre
sie sogar die Musik. Sie sah das dunkel glitzernde Wasser und die puristischen
Holzstege, auf denen sich das Bühnengeschehen abspielte. Sie lauschte den
Harfenklängen, die die traumwandlerischen, wortlosen Auftritte des Knaben Tadzio begleiteten. Dabei war sie kein besonderer
Klassik-Freund und hatte diese Oper noch niemals gehört oder gesehen. Als
Valeriu geendet hatte, brachte sie lediglich ein erstauntes „Das war einfach
unglaublich!“ hervor. Mit einem äußerst charmanten Runzeln seiner ebenmäßigen
Stirn entgegnete Valeriu: „Schön, dass es Ihnen so gut geschmeckt hat.“
„Oh,
ich meinte nicht das Essen. Das war auch phantastisch. Aber Ihre Erzählung
eben, das war unbeschreiblich. Ich habe die Oper vor mir gesehen, inklusive
Musik. Haben Sie mich hypnotisiert? Ich muss wissen, wie Sie das gemacht
haben.“
Er
zuckte lapidar mit den Schultern, doch seine Mundwinkel umspielte wieder dieses
jungenhaft verschmitzte Lächeln.
„Ich
habe rein gar nichts gemacht. Sie scheinen eben über eine ausgeprägte
Imaginationsfähigkeit zu verfügen.“
Er
würde ihr nicht verraten, was sie wissen wollte. Und vielleicht hatte er sogar
recht und er hatte die Dinge einfach derart plastisch geschildert, dass sich
die Bilder in ihrem Kopf wie von selbst zusammengefügt hatten. Schließlich
mussten ihre Vorstellungen überhaupt nicht mit dem übereinstimmen, was er in
Prag gesehen hatte.
Mittlerweile
hatte Eliza aufgegessen und das Gespräch drehte sich nun um die literarische
Vorlage der Oper, um Thomas Manns Novelle Tod in Venedig , die beide sehr
schätzten. Wieder waren sie mit der Lagunenstadt Venedig und mit den Mann’schen Todesboten beim Thema der Morbidität gelandet.
Als
Eliza schließlich auf die Uhr sah, war es schon nach Mitternacht und zusammen
mit einem anderen Pärchen waren sie die letzten Gäste.
Als Valeriu ihr in den Mantel half, berührte
seine eiskalte Hand ganz beiläufig die ihre und der kalte Schauer lief Eliza
wieder über den Rücken, doch diesmal weniger als Moment des Schreckens als
vielmehr als Moment der Verheißung. Für eine Sekunde stand er ganz nah hinter
ihr und sie meinte fast, seinen ebenfalls kühlen Atem an ihrem Nacken zu
spüren. Doch dieser Augenblick war so flüchtig, dass es sich auch um reine
Einbildung gehandelt haben könnte.
Eliza sagte, sie würde sich ein Taxi
nehmen, doch Valeriu bestand darauf, dass er sie nach Hause bringen würde.
Eliza fragte sich, was Wilbert die ganze Zeit gemacht hatte, denn die Limousine
stand wieder genau da, wo sie ausgestiegen waren. Eliza nannte ihre Adresse und
sie meinte Valeriu im Dunkeln neben sich grinsen zu sehen, als sie die Mondscheingasse
nannte.
Als der Wagen vor der Haustür hielt,
wandte sich Valeriu ihr noch einmal zu. Sein schönes Gesicht lag im Schatten,
doch seine Augen leuchteten wie die einer Katze.
„Ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Ich
kann mich nicht erinnern, einen so wundervollen Abend verlebt zu haben.“
Eliza war sprachlos. Eigentlich wäre es
an ihr gewesen, das zu sagen. Also erwiderte sie: „Es war mir ebenfalls eine
große Freude und eine Ehre den Abend mit Ihnen zu verbringen, Herr
Bazon-Arany.“
Valeriu schüttelte mit dem Kopf. „Bitte
nennen Sie mich Valeriu.“
Eliza lächelte. „Also gut,
Valeriu. Ich heiße Eliza Sophia. Aber Eliza genügt.“
Wieder schaute er sie mit seinen
wunderbaren fluoreszierenden Augen an.
„Darf ich dich wiedersehen, Eliza Sophia
Hoffmann?“
Nun wandelte sich ihr Lächeln zu einem
Strahlen.
„Aber ja. Ich möchte dich auch
wiedersehen.“
Er wirkte regelrecht erleichtert als er
fragte: „Möchtest du am Sonntag mit mir ins Theater gehen?“
Eliza war einverstanden und so
verabredeten sie, dass er sie um 18 Uhr abholen würde. Sie fragte, in welches
Theater sie gehen würden und welches Stück sie sich anschauen würden,
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