Somnambul Eliza (German Edition)
mit schwarzer Tinte geschrieben worden; eine
Schrift wie man sie heutzutage nicht mehr oft vorfindet, klassisch und elegant,
geschaffen, um Liebesbriefe und Poeme zu verfassen. Auch ohne spezifische
Kenntnisse der Graphologie erkannte Eliza den vornehmen Geschmack, den Sinn für
Tradition, die Willensstärke sowie die latente Nonchalance und Exzentrik in
diesen Zeilen.
„ Werde
schnell gesund, Liebste! Die Stunden ohne dich sind mir eine Qual und ich sehne
mich schon jetzt danach, dich heute Abend wieder in meinen Armen halten zu
dürfen. In Liebe, Valeriu. “
Obwohl es ihr so mies ging, strahlte
Eliza über beide Wangen. Womit hatte sie nur die ungeteilte Aufmerksamkeit und
Zuneigung dieses phantastischen, außergewöhnlichen Mannes verdient? Valeriu war
in so vielerlei Hinsicht genau der Märchenprinz, den sie sich immer erträumt
hatte und manchmal kam es ihr völlig surreal vor, dass er tatsächlich in ihr
Leben getreten war. Zuweilen beschlich sie die heimliche Angst, dass sie ihn
sich bloß ausgedacht haben könnte, denn er war einfach zu perfekt –
wunderschön, intelligent, charmant, superreich, mit fast höfischen Manieren und
er schien sie zu vergöttern. Konnte ein Mann wirklich so vollkommen sein und
noch dazu derart seelenverwandt, dass er ihre Befindlichkeiten, Vorlieben und
geheimsten Wünsche und Sehnsüchte zu erraten vermochte?
Eliza hing ihren Gedanken nach, bis sie
von einem knurrenden Geräusch aus ihren Überlegungen gerissen wurde. Sie
brauchte einen Moment, um zu registrieren, dass es sich um ihren eigenen Magen
handelte, der gerade unmissverständlich Hunger angemeldet hatte.
Dann erst erblickte sie neben dem
Blumenstrauß noch ein paar andere Dinge auf dem Nachttisch. Unter anderem stand
da ein kleines, hübsches nostalgisches Kristall-Fläschchen an dem ein Etikett
angebracht war, auf dem in einer ähnlich antiquierten, fast ebenso schönen
Handschrift Tinktur gegen Gliederschmerzen geschrieben stand. Neugierig
nahm Eliza das Fläschchen in Augenschein und zog den Korkpfropfen heraus, um an
der Flüssigkeit zu schnuppern. Ein kräftiger, aber recht wohlriechender
Kräutergeruch stieg ihr in die Nase und sie erkannte den Duft von Pfefferminze,
Thymian, Eukalyptus und Lavendel. Die anderen Zutaten konnte ihre Nase nicht
eindeutig zuordnen, aber offenbar handelte es sich um eine rein pflanzliche
Mischung auf Ölbasis .
Versuchsweise
goss sie sich einige Tropfen in die Handfläche und rieb ihre schmerzenden
Schultern damit ein. Die Massage mit den ätherischen Ölen brachte umgehend eine
gewisse Linderung und Eliza wandte sich gleich ein wenig entspannter den
anderen Dingen zu, die auf ihrem Nachttisch arrangiert waren. Wilbert hatte
offenbar ein ganzes kleines Schonkost-Buffet aufgebaut – in einem Korb lagen
frische Brötchen bereit, in einem Glas daneben standen Salzstangen und eine
Glasschale war mit geriebenem Apfel gefüllt. Außerdem standen da eine Flasche
Cola und eine frische Tasse mit dampfendem Kräutertee. Eliza entschied sich für
ein trockenes Brötchen und trank dazu Tee, obwohl sie eigentlich ein
Kaffeemensch war und für die verweichlichten Teetrinker nur ein müdes Lächeln
übrig hatte.
Dann hörte sie, wie ihre Wohnungstür aufgeschlossen
wurde.
„Ach, mein armer Hase, was machst du
denn für Sachen?“ fragte Stephan schon auf dem Weg zum Schlafzimmer. „Ach
herrje, du siehst ja furchtbar aus – völlig derangiert und so eine ungesunde
Gesichtsfarbe“, fügte er hinzu, als er Eliza erblickte. „Wie gekotzter
Apfelbrei“, ergänzte er mit in Falten gelegter Stirn und fachkundigem Blick.
„Herzlichen Dank für deine aufmunternden
Worte“, brummelte Eliza. „Da fühle ich mich schon gleich viel besser.“
Dann rückte Stephan den Stuhl, der in der
Zimmerecke gestanden hatte, neben das Bett und ließ sich nieder.
„Was macht das Fieber und wie steht es
mit den Kopfschmerzen?“ fragte er beflissen. „Kannst du dich unterhalten oder
strengt dich das zu sehr an? Ich muss in einer halben Stunde an die Arbeit.
Vorher hätte ich gern noch einen genauen Bericht, wie deine Nacht verlaufen
ist.“
Er unterbrach sich selbst, als er den
Blumenstrauß entdeckte: „Mein Gott, so einen Strauß möchte ich auch mal
bekommen. Der ist ja gigantisch. Einfach wundervoll!“
Eliza lächelte und nickte: „Den muss
wohl Wilbert hergebracht haben, als ich geschlafen habe. Stell dir vor, er muss
hier im Zimmer gewesen sein und ich habe nichts mitbekommen. Hast du ihn
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