Somnambul Eliza (German Edition)
noch
gesehen?“
„Und ob ich ihn gesehen habe. Dieser feine
britische Gentleman hat mich vor etwa einer halben Stunde aus dem Bett
geklingelt. Woher sollte ich sonst wissen, dass du zum Virenmutterschiff
mutiert bist? Jedenfalls hat er mir deinen Wohnungsschlüssel in die Hand
gedrückt, den sein Boss hatte mitgehen lassen.“
„Ist ja toll, wie unbefangen ihr alle
mit meinem Schlüssel und meiner daran hängenden Privatsphäre umgeht,“ warf
Eliza mürrisch ein, doch Stephan ignorierte ihren Einwand diskret und fuhr
fort: „Und dann hat er mich in das Tätigkeitsfeld einer Hilfskrankenschwester
eingewiesen. Ich soll darauf achten, dass du das Bett hütest, dass du
regelmäßig Fieber misst, genügend trinkst und isst. Apropos essen: Dein
persönlicher Butler hat dir außerdem einen großen Topf Hühnerbrühe gekocht, die
ich dir anbieten soll. Hast du Lust dran?“
Eliza verzog angewidert das
Gesicht: „Das ist morgens um acht wirklich eine glorreiche Idee.“
„Na gut, dann nicht. Kann ich sonst
irgendwas für dich tun, Liebes?“
Ausnahmsweise lag kein Sarkasmus in
Stephans Stimme. Eliza schüttelte mit dem Kopf: „Nein, danke. Ich bin wunschlos
glücklich.“
„Tja, wenn das so ist, kannst du
mir ja jetzt erzählen, was passiert ist.“
Also erzählte ihm Eliza von dem Vortrag
und dass sich die Grippesymptome eigentlich schon den ganzen Tag angekündigt
hatten.
„Dann musste ich mich an der
Bushaltestelle schon wieder übergeben und da kam Valeriu wie aus dem Nichts.
Ich glaube, er hat den sechsten Sinn oder so etwas Ähnliches, als hätte er
gespürt, dass es mir nicht gutging. Und er hatte überhaupt keine
Berührungsängste. Er hat mich nach Hause gefahren und ist die ganze Nacht bei
mir geblieben. Er hat sich unglaublich gewissenhaft und hingebungsvoll um mich
gekümmert und er kannte alle möglichen Hausmittel.“
Stephan gluckste vor Freude: „Der
Leibarzt, der seine angebetete Königin gesundpflegt –
wie poetisch!“
Eliza verdrehte die Augen: „Du bist
sowas von albern.“
„Ich bin nicht albern – ich bin nur
romantisch veranlagt“, protestierte Stephan.
„Schade, dass er seinen Dienstboten
geschickt hat, statt persönlich bei mir vorbeizuschauen. Ich hätte deinen
Valeriu zu gern endlich mal kennengelernt. Aber der scheint ja ausschließlich
nachtaktiv zu sein.“
Dann schaute er auf seine
Armbanduhr: „ Ups , da haben wir uns wohl schon wieder verschnuddelt . Ich muss los. Kann ich dir noch irgendwas
Gutes tun, Kleines?“
„Du könntest mir noch das Buch bringen,
das aufgeschlagen auf meinem Schreibtisch liegt und den Notizblock und einen
Kuli. Damit bin ich dann für den Rest des Tages beschäftigt.“
„Alles klar. Aber übertreib es nicht mit
der Arbeit. Das ist bei Fieber und Kopfschmerzen nämlich nicht besonders
zuträglich.“
Stephan fand auf Anhieb alles, was Eliza
haben wollte. Er warf ihr eine Kusshand zu, denn im Gegensatz zu Valeriu
fürchtete er die Grippe und vor allem das Rückwärtsessen durchaus: „Ich komme
gleich nach der Arbeit wieder vorbei und schaue nach meinem kranken Huhn,
versprochen.“
Dann tänzelte Stephan von dannen. Eliza
atmete tief durch und genoss die Stille. So viel Besuch so früh am Morgen, mehrere
Stunden vor der Zeit, um die sie gewöhnlich aufstand, war wirklich ein bisschen
viel gewesen. Eigentlich war Eliza ein bedingungsloser Morgenmuffel, dem man
vor elf am besten mit dem Möbelwagen aus der Quere ging. Nun, da sie allein
war, merkte sie wieder, dass es noch deutlich vor ihrer Zeit war und die
Müdigkeit stellte sich wieder ein. Sie stapelte ihre Arbeitsutensilien auf der
Erde neben dem Bett, denn der Nachttisch war bereits heillos überfüllt, und
kuschelte sich wieder ein, um noch eine Runde zu schlafen.
Eliza erwachte erst am Mittag –
offensichtlich hatte ihr Körper die Ruhe dringend nötig gehabt. Sie fühlte sich
eigentlich schon wieder recht fit und gut erholt. Doch sie wurde prompt eines
besseren belehrt, als sie sich etwas zu ruckartig aus dem Bett schwang, um die
Toilette aufzusuchen. In ihrem Kopf drehte sich alles und ihre Beine hatten in
etwa die Konsistenz von schwabbeligem Instant-Wackelpudding. Vorsichtig tastete
sie sich an der Wand entlang wie eine Seekranke bei starkem Seegang und legte
im Badezimmer eine längere Rast ein, ehe sie sich den Rückweg ins Schlafzimmer
zumutete. Völlig ermattet ließ sie sich in die Kissen sinken. Dann reckte sie
sich nach ihrem Buch und stellte dabei fest,
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