Somnambul Eliza (German Edition)
„Der Klang ihrer Stimme
und diese souveräne, charmante Art auch die beschränktesten Zuhörer für die
Kunst zu begeistern, haben mich Wort für Wort verzaubert. Ich muss gestehen,
ich bin ihr bereits bei unserer ersten Begegnung mit Haut und Haar verfallen.“
Valeriu griff nach Elizas Hand, streichelte sie
zärtlich und küsste ihre Fingerspitzen.
Laurin hob sein Glas: „Hört, hört! So spricht ein Mann, der
endlich die Liebe gefunden hat.“ Und zu Eliza gewandt fügte er augenzwinkernd
hinzu: „So habe ich ihn noch nie von einer Frau reden hören.“
Eliza wurde ein bisschen rot und Aurica, mit dem
geschulten Blick der Psychologin, erkannte es sofort und lenkte das Gespräch in
eine andere Richtung. Sie fragte nach den Aufgabenfeldern einer
Kunstwissenschaftlerin und nach Elizas Fachgebieten und ihrem Promotionsthema.
Aurica hatte eine helle, klare Stimme mit einem festen, bestimmten Ton darin,
der Eliza imponierte. Doch sie schaute ihr derart tief und unverwandt in die
Augen, während sie mit Eliza sprach, dass es diese veranlasste, den Blick immer
wieder zu senken. Dabei war ihr Aurica durchaus sympathisch und es ärgerte sie,
dass sie ihrem Blick nicht standhalten konnte. Die Ionescus erzählten von einer großen Franz-Marc-Ausstellung, die sie kürzlich besucht
hatten und Laurin erwies sich als ein guter Erzähler
und ein geistreicher Unterhalter und Aurica als eine äußerst gebildete,
vielseitig interessierte Frau mit der man wunderbar plauschen konnte, wenn man
nicht auf ihre Augen achtete.
„Valeriu hat mir erzählt, dass Sie Psychologin sind.
Aber ich möchte wetten, dass Sie die heilkundige Freundin sind, die das Erkältungsöl für mich angerührt hat“, sagte Eliza und
Aurica lächelte, wobei sie ihr makelloses Gebiss entblößte.
„Ja, da liegen Sie richtig. Ich hoffe, es hat Ihnen
geholfen?“
„Ich muss mich aufs herzlichste bei Ihnen bedanken. Es
hat wahre Wunder gewirkt. Sie sollten es zum Patent anmelden. Aber nein,
verraten Sie mir lieber das Rezept.“
Aurica musste lachen und es war ein ansteckendes,
fröhliches Lachen. Dann zählte sie tatsächlich bereitwillig die zahlreichen
Ingredienzien ihres Kräuteröls auf. Während sie diese Aufzählung machte, legte
sie freundschaftlich ihre Hand auf Elizas Knie, doch die Kälte, die von ihr
ausging, erfasste Elizas Körper durch den Stoff des Rockes und der
Strumpfhose hindurch und ließ sie unwillkürlich frösteln und zu ihrem heißen Eiergrog greifen. Aurica erzählte, dass sie sich für
Naturheilkunde und Verfahren homöopathischer und ganzheitlicher alternativer
Medizin interessiere. Dabei war sie jedoch in keiner Weise eine dieser militanten
Ökolatschen , wie Eliza und Stephan streng nach ökologischen Prinzipen
lebende Individuen gern spöttisch zu betiteln pflegten. Ihrem Faible für die
Kräuterkunde und die sanfte Medizin ging Aurica nur in ihrer Freizeit nach. Sie
hatte ihre psychologische Praxis zu Hause eingerichtet und betreute nur einige
handverlesene Privatpatienten, während Laurin vor den
Toren Wiens ein Privatinstitut für Transfusionsmedizin leitete.
Die
Unterhaltung war heiter und angeregt und die Zeit verging wie im Flug.
Irgendwann hatte Laurin Eliza das Du angeboten
und Aurica war seinem Beispiel gefolgt, so dass man zu dritt Brüderschaft
trank.
Als die Ionescus schließlich
aufbrachen, war es fast vier Uhr und Eliza konnte kaum mehr die Augen offen
halten. Sie brachten Laurin und Aurica zur Tür und
Eliza fröstelte, als die kalte Nachtluft hinein drang. Valeriu legte den Arm um
ihre Schultern, als sie auf der Schwelle standen und dem Mercedes nachwinkten,
der die Auffahrt hinab fuhr. Eliza lehnte sich nach hinten an Valerius feste
Brust.
Als der Wagen in der Dunkelheit verschwunden war,
sagte sie: „Ich bin ziemlich müde. Würdest du mich bitte nach Hause fahren?“
Statt einer Antwort beugte sich Valeriu über sie und
gab ihr einen Kuss in die Halsbeuge. Dann sagte er: „Weißt du, was ich schön
fand, als du krank warst? Dass du in meinen Armen eingeschlafen bist.“
Eliza lächelte: „Ach ja?“
Im gleichen Moment hatte Valeriu sie hochgehoben. Den
einen Arm um ihre Schultern gelegt, den anderen unter ihren angewinkelten
Kniekehlen, trug er sie die Treppe hinauf.
„Ich hoffe, Stephan macht sich keine Sorgen, wenn du
über Nacht ausbleibst“, meinte er.
„Ich denke, er weiß mich in guten Händen“, gab sie
lächelnd zurück.
Valeriu trug sie zurück in den Salon, wählte aber
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