Somnambul Eliza (German Edition)

mir zusteht, das zu hinterfragen. Aber heute ist Sonntag und
ich bezweifle, dass der Baron heute Meetings mit Geschäftsleuten aus der
Hotelbranche hat. Ich bitte Sie, sagen Sie mir die Wahrheit, Wilbert.“
    Sie konnte ihm ansehen, wie nervös er
wurde. Dann sagte er schnell und mit einem wenig überzeugenden Klang in der
Stimme: „Nun, Miss Hoffmann, es sind ja nicht nur die Hotels. Der Baron ist
auch Investor bei verschiedenen Bauprojekten und Eigentümer diverser
Restaurants, Bars und Clubs. Diese vielfältigen Investitionen und Immobilien
verlangen Präsenz zu den unangenehmsten Zeiten.“
     Eliza hatte beobachtet, dass Wilbert
nicht fähig war, ihr in die Augen zu sehen, während er sprach.
    Daher sagte sie ruhig: „Aber das ist es
nicht, weswegen er jetzt fort ist, oder? Ist er in Schwierigkeiten, oder -“,
Eliza begann zu stottern. „Oder lebt er noch in einer anderen Beziehung?“
fragte sie mit brüchiger Stimme.
    Wilbert sank kraftlos auf den Stuhl ihr
gegenüber.
    „Nein, Miss Hoffmann. Beides trifft
nicht zu. Sein Verhalten erscheint Ihnen auf so vielfache Weise rätselhaft,
doch der Grund dafür liegt in seiner Natur. Der Baron vergöttert Sie, aber er
fürchtet, Sie zu verletzen. Er möchte bei Ihnen sein, doch er muss es mir
überlassen, mich um Sie zu kümmern. Auf seinen Schultern lastet eine immense
Bürde und es muss ihm obliegen, Sie einzuweihen. Aber Sie dürfen weder glauben,
dass er ein Verbrecher ist, noch dass er Sie betrügt. Ich bitte Sie, vertrauen
Sie ihm. Er liebt Sie, das kann ich Ihnen versichern.“
    Nun war es Eliza, deren Augen sich mit
Tränen füllten.
     
     

 
    Eliza traf sich
weiterhin jeden Abend mit Valeriu, doch sie drang wegen seiner merkwürdigen
Absenz am Tage nicht mehr in ihn. Er führte sie in Restaurants und
Cocktailbars, ins Theater und in Museen. Außerdem zeigte er ihr nach einem
Kinobesuch die luxuriösen Geschäftsräume der Moonlight Group und sein repräsentatives
Büro am Schottenring. So vergingen zwei weitere Wochen, in denen Eliza tagsüber
an der Uni und zu Hause an ihrer Promotionsschrift arbeitete und nachts die
Geliebte eines rumänischen Barons war, der sie nicht anzutasten wagte und ihnen
niemals mehr als einen Kuss gestattete.
    Seit Valeriu es sich zur Gewohnheit
gemacht hatte, Eliza von ihren Seminarsitzungen abzuholen, wollten die Gerüchte
um den attraktiven und mysteriösen porschefahrenden Mäzen am kunsthistorischen
Institut nicht mehr abebben und Eliza erkannte, dass sich die Universität in
Sachen Klatsch und Tratsch nur durch das unbedeutende Wörtchen Hoch - von
allen anderen Schulen unterschied. Als wieder ein Vortrag aus der Reihe der
Ringvorlesung anstand, beschlossen sie daher, der Gerüchteküche ein Ende zu
bereiten, indem Valeriu Eliza begleitete.
    „Bitte
kleide dich nicht zu formell, die Veranstaltung findet in einem gewöhnlichen
Seminarraum statt“, bat Eliza am Abend vorher und Valeriu grinste: „So lange du
nicht verlangst, dass ich mir eine braune Cordhose und ein dazu passendes
Jackett zulege, soll dein Wunsch mir Befehl sein.“
    Als er sie am nächsten Abend abholte,
trug Valeriu eine schwarze Jeans, einen dunkelgrauen Rollkragenpullover und ein
schwarzes Sacco.
    „Du siehst großartig aus“, meinte Eliza
und küsste ihn zur Begrüßung.
    „Du erklärst mir, dass ich mich dem
Anlass angemessen kleiden soll und was tust du? Ich würde sagen, wenn hier
jemand overdressed ist, dann bist du das. Welchen
Männern willst du denn noch den Kopf verdrehen, reicht dir der meine nicht?“
fragte er neckend und fügte dann hinzu: „Du siehst bezaubernd aus, pisică mea .“
    Eliza
hatte sich für ein Vintage-Kleid der New Yorker Designerin Betsey Johnson entschieden. Die Frau war ein wirkliches Phänomen, ein Urgestein der
Modegeschichte und der Popkultur und Eliza verehrte sie und ihre Arbeit sehr. Betsey Johnson hatte im Umfeld von Andy Warhols Factory
begonnen, Mode zu machen, war kurzzeitig mit John Cale von The Velvet
Underground verheiratet gewesen und war nach vierzig Jahren im Business
noch immer so kreativ und frisch wie eh und je. Ihre Entwürfe waren über vier
Dekaden hinweg innovativ, frech und fröhlich und gleichzeitig detailverliebt,
tragbar und immer ungemein feminin. Heute trug Eliza ein körperbetontes,
knielanges Samtkleid mit dreiviertellangen Ärmeln, dessen mit Spitzenbändern
verzierter Balkonett -Ausschnitt und die ebenfalls
dekorativ gestaltete Empire-Taille an den Stil der Renaissance