Somnambul Eliza (German Edition)
erinnerten. Der
Grundton des Kleides war ein sattes dunkles Moosgrün auf dem sich romantische florale Elemente in Pink- und Violett-Tönen befanden.
Sie kamen knapp und nahmen in einer der
hinteren Reihen Platz. Die Veranstaltung war sowohl von Seiten der Lehrenden
als auch von Seiten der Studierenden erstaunlich gut besucht, was vielleicht an
der fächerübergreifenden Thematik lag.
Der Vortrag, den sie hörten, wurde von
einem Salzburger Philosophie-Professor gehalten und gab einen Abriss von Arthur
C. Dantos Schrift Die Verklärung des Gewöhnlichen ,
in der der amerikanische Kunstkritiker und Philosoph der Frage nachging, was
ein Objekt zum Kunstwerk macht und in wieweit eine Bezeichnung, ein Titel, ein
Kontext die Interpretation eines Werkes beeinflussen. Der Gastredner hielt
seinen Vortrag kurz, prägnant und punktiert, so dass dem Auditorium nach einer
Dreiviertelstunde die Grundzüge des Essays dargelegt worden waren und man zum
geselligen Beisammensein überging.
Wie schon in der Oper war Eliza erstaunt,
wie viele Menschen unterschiedlichster Couleur Valeriu zu seinen Bekannten
zählte, denn sofort gesellte sich ein Philosophie-Professor zu ihnen, der auf
Eliza bisher immer einen äußerst unnahbaren und verschlossenen, ja in seiner
zurückhaltenden Art einen vergeistigten bis arroganten Eindruck gemacht hatte.
Doch heute war er regelrecht gelöst und freute sich merklich, Valeriu zu
treffen.
Der Professor war noch ganz vom Thema
des Vortrages beseelt und diskutierte nun mit Valeriu den Einfluss Wittgensteins
auf Danto .
Dann trat Professor Droemer zu ihnen, dicht gefolgt von Karin Steidel , und Eliza
machte Valeriu mit beiden bekannt. Valeriu küsste Karin die Hand, woraufhin die
Ärmste zutiefst errötete. Sie wechselte im Folgenden bei jedem Redebeitrag, den
sie lieferte, die Farbe, obwohl das Sprechen eigentlich etwas war, das Karin
nicht besonders schwer fiel.
Eliza bemerkte die verstohlenen Blicke,
mit denen sie Valeriu musterte und ebenso, wie sie den Blick jedes Mal von ihm
abwandte, wenn sie etwas zum Gespräch beitrug. Obwohl er sie eindeutig nervös
machte, blieb Karin und schien sich über jedes Wort zu freuen, das Valeriu an
sie richtete. Eliza hatte schon häufiger die Beobachtung gemacht, dass es die
Leute genossen, sich mit Valeriu zu unterhalten, regelrecht um seine
Aufmerksamkeit, um seine Gunst buhlten.
Eliza bewunderte ihn für seine
Fähigkeit, sich so mühelos und unangestrengt auf dem
gesellschaftlichen Parkett zu bewegen und sich auf jeden Gesprächspartner neu
und individuell einzustellen. Valeriu beherrschte die Kunst der Konversation
perfekt und besaß vor allem das Geschick, seinem Gegenüber das Gefühl zu
vermitteln, ungemein bedeutsam zu sein. Dabei überließ er es diesem, sich ihm
mitzuteilen und war selbst immer zurückhaltend und ruhig und stand niemals in
der Rolle des Unterhalters im Zentrum einer Traube von Zuhörern.
Dann wurde die kleine Gruppe jäh
aufgewirbelt, als eine schrille Stimme erklang und sich gleich darauf die dazu
passende Erscheinung wie eine Naturgewalt ungestüm und heftig winkend einen Weg
zu Valeriu bahnte, der ein weniger auffälliges Wesen folgte. Es handelte sich
um das Bauunternehmer-Ehepaar Algeyer, Mitglieder des Vereins der Freunde des
Kunsthistorischen Museums, die es offenbar für ihre Pflicht hielten, alle öffentlichen
Veranstaltungen am Kunsthistorischen Institut zu besuchen.
Beide waren hochgradig unpassend
gekleidet, wobei der dünne, grauhaarige Herr im schwarzen Anzug mit silberner
Krawatte noch den eindeutig erträglicheren Eindruck machte, als seine Gemahlin.
Sie war etwa dreimal so kräftig wie er, dafür aber nur halb so groß. Ihr
draller, kompakter Körper steckte in einem purpurfarbenen Satinkleid, das
Escada ganz sicher nicht für sie entworfen hatte. Doch ihre enorme Oberweite
kam darin eindrucksvoll zur Geltung, was jedoch andererseits auch auf alle
anderen Ausformungen ihres Körpers zutraf. Um den Hals trug sie ein äußerst
breites goldenes Collier, das wahrscheinlich all die Haut zu verbergen hatte,
die man ihr aus dem Gesicht gezogen hatte. Sie trug ihr dauergewelltes,
gelbblond gefärbtes Haar in der Manier einer Florida-Seniorin.
Aufgrund ihrer häufigen Besuche und der
großzügigen Spenden, die sie dem Kunstgeschichtlichen Institut regelmäßig
zukommen ließen, waren sie natürlich auch mit den Professoren bekannt. Doch
diesmal hatte Frau Algeyer für Professor Droemer nur
eine kurze Begrüßung übrig,
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