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Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Titel: Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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an die Macht gebracht habe, die wären es gewesen, die geputscht haben. Schweigt lange.
    18. Aug.: 10 vor 5 sei eine Gruppe von Menschen gekommen, Hörer abgenommen, isoliert, alles kaputt.
    Erzählt Storys.
    Die Leute seien ohne Zeremonie in seinen Wohnwagen hereingekommen.
    Es ist, als ob er seine Biographie erzählt.
    32 Bewacher, eigene?
    Sie hätten kein Essen mehr bestellt.
    72 Stunden.
    Es sei absurd gewesen, aber die Leute, die zu ihm gekommen wären, denen hätten die Hände gezittert.
    BBC hat er am besten gehört. Seine Leute hätten Möglichkeiten gehabt, aus den alten Radios, die er hat, was rauszuholen.
    «Wir sind alle Menschen!»
    Die russische Delegation hat gesagt: »Nicht einmal das können sie machen, und vieles andere natürlich auch nicht.»
     
    20.26 Uhr.
    Jetzt blockiert die Menge das Gebäude der Kommunistischen Partei und das KGB-Hauptquartier, dort, hat man beobachtet, werden bereits Akten herausgetragen. Angestellte verlassen hintere Ausgänge.
    Ruge gibt der ganzen Sache Halt, sehr angenehm, man hört ihm gern zu.
    Noch ein früheres Interview mit Gorbatschow. Für Abenteuer stehe er nicht zur Verfügung, hätte er zu den Eindringlingen gesagt.
    Die Washington-Einlagen sind langweilig.
    Der Außenminister Bessmertnych war die ganzen Tage nicht zu erreichen, Genscher hat versucht, ihn anzurufen.

Nartum Fr 23. August 1991
     
    I952: Pionierorganisation erhält den Namen«Ernst Thälmann»
Nationalfeiertag der Sozialistischen Republik Rumänien
    Merkwürdig, daß die Niederreißung des KGB-Denkmals im TV nicht gezeigt wurde.
    Ich halte Sobtschak, den Bürgermeister von Leningrad, für den aussichtsreichsten Politiker. Jelzin ist eine Niete.
    Haribo macht Kinder froh!
    «Hier Paeschke?»
    «Ja, guten Tag, Herr Paeschke.»
    «Sie wollten mich sprechen?»
    «Ja, wir haben lange nichts voneinander gehört …»
    «Ich komme gerade aus dem Urlaub und finde Ihren Zettel...»
    «Es ist eigentlich etwas sonderbar, daß man seinen Verleger jahrelang nicht zu sehen kriegt.»
    «Ich dachte, daß die Betreuung durch Ihren Lektor gut sei?»
    «Ja, aber wir müssen uns doch mal darüber unterhalten, wie es nun weitergehen soll.»
    «Bisher lief doch alles ganz gut, oder?»
     
    Bin von Flohstichen bedeckt.
     
    Rostropowitsch verlangt, das auf den Sockel des KGB-Denkmals ein Denkmal von Solschenizyn …
     
    18.55 Uhr
    Die Wogen gehen hoch. Mit der KP geht’s bergab.
    Arbatow: Gorbatschow wußte von den Plänen der Putschisten. Gorbatschow wurde und wird überschätzt.
    Ein gemeinsames An-einem-Strang-Ziehen, ob das möglich sei (Jelzin und Gorbatschow).
    Ob Gorbatschow nur noch eine Pappfigur sei? (Weirich). KPdSU bekäme höchstens 10%.
    Bessmertnych dankte ab.
    In ZDF liefen die Leute plötzlich rückwärts, weil Film falsch eingelegt...
    Noch sei der Tag nicht gekommen, an dem man sagen könne: Es geht auch ohne Gorbatschow.
    Jelzin gehe ein Hauch von Großzügigkeit ab.
    Versiegelung des Zentralkomitees.
    Das Haus wurde nationalisiert. Drinnen seien bewaffnete Wachen.
    Ein Passant zeigt ein Schreiben von 20 Zeilen, in dem sein Bruder nach 20 Jahren Haft«rehabilitiert»worden sei.
    Jasow«bereut», er will sich nicht zeigen. – Zelle ganz komfortabel.
    Abbrechen von Denkmälern ist immer etwas Wichtiges, genau wie das endgültige Aufziehen oder Einziehen von Fahnen. Balten machen Front gegen die Kommunisten.
    Lettischer Chef der KP wird verhaftet. Grüßt lachend in die Menge.
    Dagegen der Chef des Stadtsowjets recht verkniffen. Wird gestoßen.
    Rote Fahne in Riga wird eingeholt. Funktionäre ziehen schimpfend ab. Machen«obszöne Gesten».
     
    5000 Verkehrstote im ersten Halbjahr.
     
    Das ängstliche Gesicht des Stadtsowjets.
     
    N3, 19.20 Uhr
    Kommunistische Partei in Rußland verboten. Jelzin unterschreibt. Die Abgeordneten klatschen, etliche klatschen aber nicht.
    Jelzin sei der glaubwürdigste Wendehals (Bahr).
     
    ZDF, 19.40 Uhr
    Esser auf einem kleinen Podest stehend, weil die anderen drei offenbar größer sind als er.
    19.50 Uhr
    Datschischew, Gorbatschows Berater: Die Demokraten haben Gorbatschow gerettet, nicht die Kommunisten.
    Politische Mafia, die mehr als 70 Jahre Krieg gegen das eigene Volk geführt haben.
    «Was sagen Sie dazu?»
    «Das sind natürlich unangenehme Momente», sagt ein Kommunist und spricht von Idealen der Kommunisten.
    Esser unterhält sich mit Fernsehapparat, wendet sich dem Gerät zu.
     
    20 Uhr
    ARD quatscht nur, zeigt wenig Bilder. Nicht die Verhaftung

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