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Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Titel: Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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verfaßt, muß der arme Veigel in den Nachrichten sagen. – Er war beim Nürnberger Prozeß Simultandolmetscher. Hat er was darüber geschrieben? – Irgendwann verkündete er, er will nie wieder was schreiben, das ging durch alle Medien: Um Gottes willen, Hildesheimer will nie wieder was schreiben, was machen wir bloß? Hat aber dann doch. – Was für eine Generation, wie sie hin- und hergerissen wurde, wie sie laufen mußten! Odenwaldschüler, Palästina, England, Schweiz – was für ein Spektrum liegt seinem Schreiben zugrunde. Und doch, das muß man heute sagen, hat er es nicht geschafft. – Richter hat geschrieben: Nie wußte man bei ihm genau, was er ernst meint und was nicht. Und so was mag man nicht.
    Die Emigranten: Was für einen Erzählfundus hätten sie ausbeuten können. Ein paar schafften es nach Amerika. Feuchtwanger in seinem schwarzweißen Marmorpalast. Thomas Mann mit Blick aufs Meer. – Die meisten hatten’s schwer. Unser Archiv ist voll von solchen Geschichten.
     
    16 Uhr
    Die Putschisten scheinen tatsächlich geflohen. Sie fliegen nach Kirgisien. Bilder über Pro 7 besser.
    Erster Telefonkontakt hergestellt zu Gorbatschow.
     
    Die Leute in Moskau seien immer noch skeptisch.
    Zwei von drei Divisionen um Moskau haben nicht mitgemacht, daher …
    Jelzin hat’s offenbar rumgerissen. Er habe Gorbatschow gerettet.
    Friedrich Müller:«Das ist das schönste Bild aus Moskau!»Abziehende Panzer. Der Qualm aus dem Auspuff. Da gibt’s dann so Leute, die sich theatralisch ans Kanonenrohr hängen.
     
    16.07 Uhr
    Alle Anweisungen des Notstands-Komitees seien aufgehoben
    (TASS).
    Ruge: Ja.
     
    17.14 Uhr
    ZDF: Sie sind gar nicht weggeflogen, heißt es, festgenommen wahrscheinlich.
    ARD: Jasow Selbstmord?
    Ruge: Sondereinheiten gestern kraftvoll, heute höflich. KP habe selbst verlangt, Gorbatschow müsse sich äußern.
    Estland hat sich bei der Gelegenheit schnell für unabhängig erklärt.
    Ich hab’ was für diese Leute übrig, ihr helles, ordentliches Land. Möchte gerne mal dorthin fahren und auf einem Boulevard Kaffee trinken. Aber noch ist es dazu zu früh.
     
    2007: Auf der Insel Ösel fiel Walter Flex, der Verfasser des Gedichts«Wildgänse rauschen durch die Nacht».
     
    Frauen werfen Panzerfahrern Kekse zu.
    Ein Mann mit Cellophanmütze im Regen.
    «Und so hatte es heute nacht begonnen …»
    Der Alpdruck sei weg.
    Die Putschisten hätten nicht alles gut durchgerechnet.
    Das Gremium sei aus durchschnittlichen Typen zusammengesetzt gewesen.
    Das Volk wolle Gorbatschow jetzt haben. Ein Zugewinn von Sympathie, den er gut brauchen kann.
     
    Baker sieht aus, wie Kaufmann Paeper aussah, wenn er Zucker abwog im weißen Kittel.
    Deutscher Aktienindex kletterte um 20 Punkte.
    Die große Weltpolitik, sie reichte heute bis Oldenburg. Gorbatschow müsse ein anderer werden als zuvor.
    Nun kenne man die Leute, die gegen ihn sind.
    Ob die SU nun noch schneller zerfällt als zuvor … … abgesehen, das hätten die Putschisten mit ihrer Aktion erreicht.
    Das Zentrum hätte keinen Widerstand leisten können, der Widerstand sei aus den Republiken gekommen. Die Schale sank zugunsten der demokratischen Kräfte, die Reaktion des Westens (G. Helbig aus Washington).
    Der ewige Frieden sei nicht eingezogen, diese Erkenntnis hätten wir durch den Putsch gelernt.
    In Wilna ziehen die Militäreinheiten wieder ab.
     
    17.40 Uhr
    Die Notstandsleute seien doch zur Krim geflogen.
    Vor dem russischen Parlament spontaner Gottesdienst. Immer wieder dieselben Bilder.
    19 Uhr
    Das sei eine Erleichterung für die Seele, daß die Panzer wieder weg (eine Frau).
    Zehn Divisionen vor Moskau, davon zwei Divisionen übergelaufen.
    Leute mit Regenschirmen auf den gefangengenommenen Panzern. Ja, das Wetter richtet sich nicht nach so was.
    Jelzin stehe jetzt in großartiger Statur da («stetschr»).
    Daß sie Jelzin wieder entmachtet haben, war wohl der Fehler.
     
    19.30 Uhr
    Gorbatschow habe womöglich davon gewußt, heißt es plötzlich. Wenn das stimme, sei er ein Verbrecher.
    «Der Putsch, er war wohl nicht so ernst gemeint.»
    Die Nachtbilder jetzt umfangreicher, es waren offenbar mehr Filmer da als gedacht. Lichtempfindliche Filme haben sie sich einfliegen lassen.
    «Meine lieben Söhne!»hat Jelzin die Soldaten angesprochen.
    «Was für ein merkwürdiger Putsch!»sagen die Moskauer hinterher.
    Die Moskauer bedanken sich bei den westlichen Journalisten.
    Moderator:«Wird gefeiert heute in Moskau?»Korrespondent:«Das kann

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