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Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Titel: Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Die waschen sich nicht ordentlich, die Wiking-Jugend hingegen den Schwanz mit einer Nagelbürste.
     
    KF kam, wir sprachen über Weihnachten. Hildegard hat keine Lust, mit«den beiden alten Männern, diesen Gespenstern»allein dazusitzen.
     
    Liebe, Zeit, bunte Wiese, blauer Himmel, trockener Riesling – das alles zusammen würde sein vollkommenes irdisches Glück gründen, sagt der Ministerpräsident Rudolf Scharping (FAZ-Fragebogen).
     
    2007: Was er jetzt wohl macht? Mit seinem Rennrad zog er eine große Show ab. Spitzbart, Rennrad und einen verrückten Helm auf’m Kopf. – Fürs Fahrradfahren habe ich mich nie begeistern können. Immer dieser Gegenwind.

Nartum So 24. November 1991
     
    6 Uhr
    Bin von einem ekelhaften Würmertraum aufgewacht. Es war mir so eklig, daß ich mir sofort mit heißem Wasser die Hände wusch.
    Danach sehr schöne Musik aus dem 17. Jahrhundert. William Lawes, danach Brahms.
     
    «In Belgien herrscht Wahlpflicht, außer für den König»(Nachrichten).
     
    Görtz wich bei Fechners Geburtstag, obwohl er direkt neben mir saß, meinem Blick aus. Was muß das für eine Existenz sein, die es vermeiden muß, anderen Menschen ins Auge zu sehen. – Damals, beim Hoffmann & Campe-Geburtstag, saß er mit Ueding zusammen, da richteten sie die Literatenwelt, die Guten und Schlechten. Den Kempowski machen wir fertig, darüber waren sie sich einig. Wo ist der Readers-Digest-Ueding geblieben? Und Görtz hat’s in die Beilage katapultiert,«Essen & Trinken».
     
    Eine Dame aus Düsseldorf, die in einem Alfa Romeo gekommen war, reiste nach zwei Tagen ab. Es war überhaupt das Seminar des Abreisens. Ich hasse das. Die gucken kurz rein, vergewissern sich und schwimmen ab. Im April werden wir das Seminar auf vier Tage kürzen. Auf die Kurse hat das keinen Einfluß, der Worpsweder Nachmittag fällt fort, das ist alles, und einen Autor weniger. Autoren stecke ich dafür in die Nachmittage.
     
    Hildegard hat mir Hausschuhe mitgebracht aus«reiner Schurwolle». Es handelt sich um Biowalkschuhe.
    «Der eigentliche Biowalkvorgang erfolgt in Verbindung von reinem Quellwasser, Temperatur und mechanischer Reibung.»
     
    Die Jugoslawen haben nun den 14. Waffenstillstand geschlossen, ohne auch nur eine einzige Minute«das Feuer einzustellen». Ich verstehe eines nicht: Wenn die jugoslawische Volksarmee wirklich so stark ist, wieso braucht sie dann so lange, Kroatien zu besetzen, und das, obwohl uns gesagt wird, daß die Kroaten überhaupt keine Waffen haben?
     
    Es ist eigentlich sehr merkwürdig, daß ich damals, als Fechner für T/W den Grimme-Preis erhielt, nicht eingeladen wurde. Hatte er Angst, was abgeben zu müssen von seinem Ruhm?
     
    TV: Missionare zeigen den Indianern in Südamerika, was eine christliche Harke ist. Ein einzelner Missionar singt den nackten Naturkindern einen Choral vor.
    Jelzin hat behauptet, das Bernsteinzimmer sei in Thüringen vergraben worden. Die Rote Armee habe nicht danach gesucht. – Daß die Restauratoren, die das Zimmer seit 20 Jahren nachbauen, nie danach gefragt haben? Na ja, sie hätten dann ihren Job verloren.
    Eigentlich kitschig. Auf mich wirkt das Zimmer nur befremdend.
     
    Ich freue mich schon auf das Schlachtfest, wenn herauskommt, wer alles hier im Westen für die Stasi gearbeitet hat. Das Wort von der klammheimlichen Freude.
     
    2007: Man weiß es inzwischen, aber die Namen werden nicht veröffentlicht.
     
    15.30 Uhr
    Pfitzners Violinkonzert: himmlische Freuden.
     
    Gestern stand W. Kerner in meinem Zimmer:«Willst du noch weiterschlafen?»Er hatte sich angemeldet, mit Maria, und ich hatte verschlafen. Unten stand Gott sei Dank die Tür«sperrangelweit offen».
     
    Ich bekam von VG Wort 8000,- Nachzahlung! Pauschal für TV-Kanalsender.
     
    10-12 Mio. Orden und Ehrenzeichen wurden in der DDR jährlich hergestellt, es gab 142 staatliche Auszeichnungen, z. T. mit Geldprämie versehen.
    Volksmund:«Das Geld ist schon o. k., aber die Schande, die Schande!»(ZEIT)
     
    Semipalatinsk.
     
    Das Appartement in Berlin gehört jetzt tatsächlich uns, Hildegard zeigte mir die Papiere. 125 000,- haben wir bezahlt, den Rest müssen wir zehn oder 20 Jahre lang mit monatlich 1800,- abbezahlen.
    Hildegard hat heute ihre mürrischen Tage überwunden. Nach Seminaren immer drei Tage. Diesmal war es auszuhalten.
    Ich verhalte mich antizyklisch.
     
    «Echolot»: 19. Januar wird morgen eingegeben, habe ich heute geordnet. Wenn das so weitergeht, kann ich dieses Jahr noch

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