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Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Titel: Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Satelliten das nicht viel früher rausgekriegt haben.
    Die DDR hatte ja auch mehr Divisionen NVA-Soldaten als abgemacht. Ihre Offensivpläne hat man erbeutet. Sie wollten gleich bis zum Atlantik durchstürmen. Einer der Pfeile weist auch auf Bremen.
     
    Eine Frau Sch. kam, wegen einer TV-Aufnahme in Rostock. Sie erzählte Unglaubliches von den überlebenden SED-Bonzen, wie man ihr begegnet sei usw.

Nartum Sa 2. März 1991
     
    I9I9: Gründung der Kommunistischen Internationale
I93I: Michail Sergejewitsch Gorbatschow geboren
    Volkshochschule aus Nordenham hier. Ziemlich stumpfe Sache. Ich betätigte mich als Alleinunterhalter.

Nartum So 3. März 1991, kalt
     
    Mal sehen, ob es mir gelingt, den heutigen Sonntag durch intensives Erinnern zu verdoppeln.
    Ich wachte früh auf, stellte die B-Dur-Messe von Bach sofort wieder ab und erfuhr in den Nachrichten, daß die Iraker sich gegenseitig beschießen. Ich schlief wieder ein und sammelte mich gegen 9 Uhr zusammen, zu sehr harmonischem Frühstücksei. Gesprächsthema das gestrige Essen mit Familie Dierks im Bremer Parkhotel. Seezunge, äußerst wunderbar. Fürstlicher Rahmen, ansprechende Bedienung. Dierks sprach in drei Anläufen von seiner Jenssen-Mann-Satire, von der er schon bei unserem letzten Treffen ausführlich geredet und neulich am Telefon. Du meine Güte! Sehr unterhaltend ist es nicht, den Inhalt einer Satire referiert zu kriegen. Wenn ich wegen jeder Idee, die ich habe, so ein Theater machen wollte! Ich versuchte, von meinen Scholl-Stalingrad-Sensationen zu sprechen, vom«Echolot»also, und tat dies eigentlich nur, um zu sehen, wie lange sie mich reden lassen würden, ohne mich zu unterbrechen.
    Im übrigen freute sich Manfred zunächst darüber, daß ich ihn bei der Literaturkommission in Amt und Würden gebracht habe, verstummte jedoch, als er das erfuhr, was ich ihm schon hundertmal erklärt habe: daß die Literaturkommission nicht identisch ist mit der Niedersächsischen Literaturpreiskommission, worauf er sich offenbar gespitzt hatte. (Einfluß!) Darüber sprachen wir heute früh also, und dann arbeitete ich am«Echolot», immer noch am 1. Januar, der nun fertig ist. Hildegard las ihn mir heute abend vor, und ich war ganz zufrieden. Das wird auf die Leser so wirken, als ob ich überhaupt nichts daran getan hätte.
    Dazwischen zwei Telefonate, die Hildegard von mir abwendete, eine Fotografin, die mir ihr (doch optisches!) Vorhaben, mit dem sie sich jetzt beschäftigt, beschreiben wollte, und Robert, dem, wie er sagt, der kalte Schweiß ausgebrochen sei, als er gehört habe, daß ich die Rückgabe des Hauses nicht mit Pauken und Trompeten haben möchte (um keinen Neid zu erregen). Seine neurotischen Anfälle will ich nun nicht mehr aushalten. Diese Anrufe brauchte ich also nicht auszuhalten, dafür wurde mir mitgeteilt, daß unser Schaf ein Lamm geworfen habe, und Frau Düwel meldete sich mit acht Corgis zu Besuch an. Der dann stattfand, es war ein freundlich-ulkiges Gewimmel und machte Spaß, bis sie unsere armen Hühner scheuchten und den Hahn fast totbissen. Ich verzog mich ins Haus.
    Endloser Mittagsschlaf in absoluter Erschöpfung, danach allein Kaffee, weil Hildegard noch mit den Corgis unterwegs war. Im«Spiegel»war zu lesen, daß Seife schädlich ist, auch wenn es sich um unschädliche Seife handelt. – Ich wollte vor einiger Zeit ein Stück Palmolive kaufen. Da sagt der Drogist:«Die gab’s vorm Krieg!»
    Danach dann wieder am«Echolot»und das 6. Kapitel von M/B ausgebessert. Beides nehme ich mit nach Münster morgen. Im TV Boxkämpfe und die Beendigung des Boxkampfes der Nationen, also Schwarzkopf vorm Mikrofon, daß die«Airäkis»alles unterzeichnen.
    Ulla Hahn, daß sie sich freut, endlich wieder andere Nachrichten zu lesen und zu hören, von Thomas Gottschalk zum Beispiel, als immerzu vom Golf. – Bei Böhme im«Talk im Turm»schrien drei Araber auf einen alten Amerikaner ein. Gottlob war Scholl-Latour zur Stelle, der sprang ihm, auf seine spezielle Weise grinsend, bei. Da war Ruhe im Karton.
     
    2. und 3. Teil von Walsers Krimi. Habe eine Weile hineingeschaut, es ist schon was Besseres, aber öde eben doch. Das liegt am Milieu.
     
    FAZ:«Die Deutschen stehen einigermaßen begossen da; ihre ablaßheischende Nachtwächterrolle bei dem Irak-Konflikt wird die Welt so bald nicht vergessen.»
    Die brennenden Ölquellen am Horizont sprechen ihre eigene Sprache. Ein Grüner meinte: Wahrscheinlich werde wegen des Qualms der Monsun in Indien

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