Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)
durchgemacht, aber es sind keine Wolfskinder gewesen. Seine«Klara Heydebreck»und das«Klassenfoto»bleiben unerreicht. – Verschiedenes ist in dem Film gänzlich unklar, das ärgert. Immerhin, ich blieb dran, ich schaltete nicht um.
Verdarb mir den Magen an falschen Frikadellen.
TV: Eine gegenseitige Anschreierei über die Asylfrage, grotesk! Der CSU-Mann war am informiertesten. Aber wer in der CSU ist, hat im Fernsehen schlechte Karten. Am besten kommen die ehemaligen SED-Leute weg. (Die sind auch besser geschult, können diskutieren.)
Nartum Sa 30. März 1991, schön
Renate war da, ihr Hund etwas nervös, aber schon ruhiger geworden. Sie wollte ihm einen gelben Ball wegnehmen aus Spaß, er brachte ihn mir. Sehr witziges Tier. Wie uns das Zusammenleben mit den Tieren bereichert! Die Corgis, jeden Tag hat man mit ihnen Spaß. Renate meint:«Robby ist ja heute derartig gerannt, der hat bestimmt ein weißes Haar dazugekriegt. »
Wohnung soweit wieder hergerichtet, es fehlen noch die Bilder, die werden nach Ostern angenagelt.
Heute haben die Funkuhren ihren großen Tag. Sie stellen sich in der Nacht selbst neu ein (Sommerzeit). – Was Kepler wohl gesagt hätte, wenn ihm das vorgeführt worden wäre?
«Echolot»: Am Vormittag intensiv am 10. Januar gearbeitet, war problematisch, da sehr viel Material. Am Abend brachte ich in den Anhang probeweise OKW-Bericht und Exlers Arbeit (Pressemeldungen) ein. Problematisch, dadurch wird das Sammlerische zu sehr betont.
Renate hat«Sirius»noch nicht gelesen. Sonderbar. Hildegard meint, wenn die Tochter da ist, gucke ich sie gar nicht mehr an. Sie beschwert sich, daß sie gar keine Post kriegt.«Echolot»: Quellen herausgeschrieben, während die Frauen Eier anmalten.
«Hörzu»-Kolumne scheint gestorben zu sein. Haben mir nichts gesagt.
Plötzlich denke ich: Die Ölkrise war vor 20 Jahren! Und was habe ich mir damals für Sorgen gemacht, habe gedacht, ich müßte jeden Tag mit dem Bus zur Schule fahren!
Ein Herr hat heute zum«Sirius»geschrieben, daß ich 1983 dann und dann 20 000 Tage lebte, stimme nicht, das habe er nachgerechnet. Vielleicht sei die Batterie meines Rechners schon ein bißchen schlapp gewesen?
Habe heute, Mitternacht, darauf gewartet, daß unsere Funkuhr sich umstellt, tut sie nicht. Die haben sich eine Zeit herausgesucht, in der man garantiert schläft. Man soll das nicht mitkriegen, daß sie ihren eigenen Willen hat.
Eine Buchhändlerin / Ost im TV:
Rückwärts möchten wir’s nicht, aber es ist schließlich alles ein bißchen kompliziert.
April 1991
Nartum Ostermontag 1. April 1991, Regen
I949: Inbetriebnahme des Jugendobjekts
«Max braucht Wasser»in Unterwellenborn
Oma Bartels wurde gestern 85 Jahre alt, ich ging mit Hildegard hin. Es saßen gute und böse Nachbarn bei ihr. Auch Platt wurde gesprochen, dieses wunderschöne klare niedersächsische Platt. Zu mir nicht, mit dem Lehrer wird hochdeutsch gesprochen, dat hört sick so. Eine ewige Schande, daß diese Sprache so unterdrückt wird. Bei den Grimms werden die plattdeutschen Märchen auch immer überschlagen. – Erinnerungen aufgefrischt. Ihr Mann schon lange tot, er konnte gut erzählen, aber von dem kam man immer nicht weg. Auf der Dorfstraße stand man, und dann gab’s lange Geschichten. Er hatte es mit Tieren. Ob alles stimmte? – Die Technik, einen Gesprächspartner zu halten. Jemanden am Jackenknopf des Gespräches festhalten, ihn mit dem Gesprächsfaden fesseln. Von einem Dachs hat er mal was erzählt, der sich unter einem Waldweg eine Höhle gegraben hatte, und er da mit seinem Wagen festgefahren. Weshalb hat man’s nicht mitgeschrieben, dann wär’ man ihn los gewesen und man hätte trotzdem etwas gewonnen. Diese Art Geschichten reichten ins 19. Jahrhundert. Schäme dich! von wegen Chronist …
Es gibt in jedem Dorf große Erzähler, um die hat sich nie einer gekümmert. Manche Lehrer gaben die Hausaufgabe:«Frag deine Oma mal, wie schlimm die Nazis waren …», so in diesem Stil. Wenn die dann bei der Frauenschaft waren, wird’s schwierig. Und der Mann ein sogenannter Zellenleiter?
So wie«drüben»der Ausdruck«zugeführt werden»statt«verhaften». – Was man alles mit Sprache machen kann. Harmlos kommen sie daher, die Wörter:«Endlösung»…
Nachmittags war Hildegard in Rotenburg bei ihrer nun schon ganz abwesenden Mutter. Man hat sie von einer erlösenden Grippe durch Medikamente ins Leben zurückgeholt. Hildegard meint,
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