Somniferus
irgendetwas zu sagen.
»Keine Ahnung.« Sie zuckte die Schultern. »Aber
falls wir wirklich ins Schwarze getroffen haben, bringt uns das nicht
viel, denn wir können schließlich nicht nach London
reisen.«
»Warum nicht?«, fragte ich sie und versuchte ein
gewinnendes Lächeln. Es war wohl nicht ganz geglückt.
Sie seufzte auf, als müsse sie einem begriffsstutzigen Kind
zum dritten Mal erklären, wie man eine Schleife bindet, und
sagte: »Ich vermute, dass die Fahndung nach uns schon
ausgeschrieben ist, und die Flughäfen und Grenzen werden immer
als Erstes unterrichtet. Das weiß ich noch von
Michael.«
Schade, eine Reise mit Lisa nach London hätte ich mir gut
vorstellen können. Sehr gut sogar. Aber natürlich hatte sie
Recht; es war zu gefährlich. Wie einfach wäre es gewesen,
wenn Lisa den Kommissar von meiner Unschuld hätte
überzeugen können. Doch nun blieb uns nur die gemeinsame
Flucht nach vorn. Ich musste beweisen, dass ich nicht Adolphis
Mörder war, was mir hoffentlich gelingen würde, wenn ich
wusste, was hinter dieser ganzen Sache steckte, und Lisa wollte
unbedingt herausfinden, warum ihr Vater einen so schrecklichen Tod
erlitten hatte.
Ich sah sie verstohlen von der Seite an. Sie zeigte ihre Trauer
nicht, doch manchmal, wenn sie sich unbeobachtet glaubte, traten ihr
Tränen in die Augen. Was für eine starke Frau! Ich wusste,
was es heißt, ein Elternteil zu verlieren, und ich muss
gestehen, dass ich damals nicht so tapfer gewesen war.
Petra kam ohne ein weiteres Buch zurück. »Ich habe
leider nichts gefunden.«
Wir sahen abwechselnd das Buch über die Eifeler Klöster
noch einmal durch, aber kein anderes Kloster kam in Frage – wenn
wir wirklich richtig kombiniert haben sollten und es sich
tatsächlich um ein Bleiglasfenster handelte.
Schließlich sagte Petra: »Vielleicht solltet ihr vor
Ort recherchieren – in Steinfeld.«
»Nicht einmal da können wir hinkommen«, seufzte
Lisa. »Mein Wagen steht noch in Daun und außerdem wird
jeder Polizist in der Eifel nach ihm Ausschau halten, selbst wenn es
mir gelingt, unbemerkt an ihn heranzukommen.«
»Dann nimm doch meinen Wagen«, schlug Petra vor.
»Ich brauche ihn nicht und außerdem ist ja noch der
Geländewagen für Notfälle da.«
Lisa nahm dankend an. »Wir machen uns gleich morgen früh
auf den Weg. Je schneller wir etwas herausfinden, desto
besser.«
»Prima. Dann solltet ihr jetzt rasch ins Körbchen. Ich
bin auch schon hundemüde«, meinte Petra und gähnte
herzhaft.
»Du kannst das gelbe Zimmer haben; das kennst du ja. Und der
Herr der Schöpfung da… nimmt das offizielle
Gästezimmer. Zeig du es ihm, Lisa. Und dann: Gute
Nacht.«
Lisa geleitete mich durch das große, verwinkelte Haus und
blieb vor einer weiß gestrichenen Tür stehen. »Bis
morgen«, sagte Lisa. Sie blieb noch einen Augenblick
unschlüssig stehen; dann drehte sie sich um und ließ mich
allein.
Das Zimmer war recht eng und dunkel. Die Tapete besaß einen
braunen Grundton und erdrückte die kleine Kammer fast. Aber das
Bett sah einladend aus. Ich warf noch rasch einen neugierigen Blick
aus dem Fenster, das sich in der Wand links neben dem Bett
befand.
Meine Müdigkeit gaukelte mir vor, dass sich dort
draußen unter meinem Fenster etwas bewegte.
Etwas sehr Großes.
14. Kapitel
Lisa war eine bessere Fahrerin als Petra. Sie hatte mir die
Straßenkarte gegeben und ich versuchte, uns auf dem schnellsten
Weg zum Kloster Steinfeld zu führen. Wir kamen an Himmerod
vorbei, fuhren an Feldern und Wäldern in hellem Grün
entlang, durchquerten Dörfer wie Schwarzenborn, Oberkail oder
Malberg, in denen nur hier und da ein tuckernder Traktor von
verborgenem Leben zeugte, und erreichten schließlich die
Bundesstraße 51, der wir nordwärts folgten. Ich hatte das
Seitenfenster einen Spaltbreit geöffnet. Die frische,
perlleichte Luft tat mir wohl.
»Es ist doch ziemlich unwahrscheinlich, dass gerade auf dem
in Steinfeld verbliebenen Fenster die Abbildung des Gottes Somniferus
zu sehen ist«, sagte ich.
»Hast du eine bessere Idee?«, fragte Lisa.
Ich schwieg eine Weile und sah immer wieder verstohlen
hinüber zu ihr. Sie fuhr sehr konzentriert, was in der Eifel
durchaus angebracht ist. Obwohl wir bereits mit der erlaubten
Höchstgeschwindigkeit unterwegs waren, wurden wir immer wieder
auf halsbrecherische Weise überholt. Man merkte, dass der
Nürburgring nicht allzu weit entfernt war.
»Vermisst dich niemand in Köln?«, fragte ich.
Sobald ich die
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