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Somniferus

Somniferus

Titel: Somniferus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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»Verdammt!«, zischte Lisa. »Sind sie
uns etwa auf die Spur gekommen?«
    »Unmöglich«, sagte ich. »Deine Freundin hat
uns bestimmt nicht verraten.«
    »Aber warum sind sie dann hier?«
    Lisa startete mit fahrigen Bewegungen den Motor und gab Gas. Wir
rasten hinunter ins Tal. Der Regen peitschte das Land mit
entfesselter Kraft. Die Scheibenwischer bewältigten die
himmlischen Sturzbäche kaum mehr. Der Himmel war inzwischen
schwarz. Die Gegend um uns versank in glitzernder Nässe.

 
15. Kapitel
     
     
    »Was sollen wir denn jetzt tun?«, fragte ich
verzweifelt. »Ich dachte, Camerarius hätte den Standort
einer Statue beschrieben.«
    »Offenbar nicht. Dein Onkel hat das Buch ja nie gesehen. Aber
das heißt nicht, dass es nicht doch indirekt den Weg zu einem
Heiligtum des Somniferus weist. Erinnere dich daran, dass Camerarius
schreibt, er habe ihn – also den Gott oder dessen Bild – andernorts bemerckt. Also hat er vermutlich das Heiligtum
irgendwo persönlich gesehen. Deshalb nehme ich an, dass der
Hinweis auf das Kloster Steinfeld durchaus keine Sackgasse ist.
Camerarius muss sehr viel mehr gewusst haben, als er aufgeschrieben
hat. Wenn wir diese Ausonius-Handschrift einsehen könnten,
wären wir schlauer.«
    »Aber wie?«, fragte ich.
    »Ich habe eine Idee…«, sagte Lisa vorsichtig.
»Ja, es könnte funktionieren. Weißt du, mein
Ex-Freund war ein großer Bücherliebhaber. Mir ist er mit
seiner Manie manchmal schwer auf die Nerven gegangen, aber jetzt
können wir vielleicht davon profitieren.«
    Wir waren nun auf der Bundesstraße 51 in Richtung Norden
unterwegs. Da sah ich bereits die großen blauen
Autobahnschilder. Lisa folgte ihnen und bald fuhren wir auf der A 1
entlang – auf Köln zu. Der kleine Wagen flitzte auf die
Überholspur und da es bergab ging, war unsere Geschwindigkeit
beachtlich. Ich hatte keine Ahnung, wohin wir unterwegs waren.
    »In der Kölner Universitätsbibliothek gibt es einen
großen Katalogsaal, in dem alle möglichen Bibliographien
stehen – und auch die Jahrbücher aller deutschen Auktionen,
in denen sowohl Bücher als auch Handschriften verzeichnet sind.
Ich weiß noch, wie wir damals Stunden in diesem Raum verbracht
haben, der den Charme eines Klinikfoyers hat. Michael hat immer dann
vor Freude aufgejault, wenn er feststellen konnte, dass er ein Buch
sehr billig gekauft hatte. Falls die Ausonius-Handschrift in den
letzten Jahrzehnten in Deutschland versteigert worden ist, ist das in
einem dieser Jahrbücher vermerkt. Und es steht immer dabei, auf
welcher Auktion das war.«
    Wir überholten einige Lastwagen und einen alten Mercedes,
bevor uns ein Porsche mit der Lichthupe von der Überholspur
fegte.
    »Alter Angeber!« rief Lisa. Sofort scherte sie wieder
nach links aus, trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch und setzte
ihre halsbrecherische Raserei fort.
    Nun hatten wir die Höhen der Eifel hinter uns gelassen und
durchfuhren die langweilige Ebene bei Euskirchen. Der Lancia wurde
langsamer; ihm fehlte der Schwung. Ich drehte mich immer wieder um,
weil ich befürchtete, wir könnten verfolgt werden. Es war
aber kein Polizeiwagen weit und breit zu sehen. Der Regen ließ
nach und ging in ein trübes Nieseln über, das die Welt vor
uns mit einem grauen Schleier überzog.
     
    * * *
     
    Als wir Köln erreichten, hörte der Regen auf – ein
gutes Zeichen, wie ich mir sofort einredete. Wir fuhren über den
Gürtel, die die Stadt einschnürt, und bogen kurz hinter den
Universitätskliniken links ab. Ich kannte diese Gegend aus
meiner Studienzeit noch recht gut – kleine Reihenhäuser mit
gepflegten Vorgärten, ausladende Straßenbäume und
überall, wo noch ein freies Plätzchen war, Autos, Autos und
nochmals Autos. Der ganze Stadtteil litt an chronischer
Blechverstopfung.
    Wir kurvten lange herum, bis wir in einiger Entfernung der
Universitäts- und Stadtbibliothek einen engen Parkplatz fanden.
Lisa lenkte den kleinen Wagen mit bewundernswerter Präzision
zwischen die anderen Autos. Das Aussteigen indes wurde zu einem
akrobatischen Kunststück.
    Rasch liefen wir zur Bibliothek. Der Himmel über uns zeigte
noch blaue Flecken, doch der Regen von Südwest würde
sicherlich nicht mehr lange auf sich warten lassen. Sein Geruch hing
bereits wie eine Drohung in der Luft.
    Lisa führte mich in das verwitterte Betongebäude, das
wie ein Bunker an der Ecke Universitätsstraße/Kerpener
Straße hockte. Damals, zu Zeiten meines kurzen
Germanistikstudiums, war ich nicht oft hier

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