Somniferus
deiner Schriftstellerei nicht weiterkommst. Du bist ja
ganz süß, aber es fehlt dir an
Durchhaltevermögen.«
Ein Schatten von Rot flog über ihre Wangen – und war
sofort wieder verschwunden. Mein Herz versuchte sich umgehend als
Dampfhammer. Ich tat so, als hätte ich die letzte Bemerkung
nicht verstanden. »Und was sollen wir deiner Meinung nach jetzt
tun?«, fragte ich, nachdem ich mich ausgiebig geräuspert
hatte.
»Wir gehen zu Jäger und fragen nach«, sagte
sie.
»Wie wäre es denn, wenn wir vorher etwas essen
würden?«, fragte ich. Mein Magen war inzwischen ein
einziges schwarzes Loch.
»Später. Erst reden wir mit dem Auktionator.«
Damit war die Sache entschieden. Typische Eifeler
Dickköpfigkeit, dachte ich. Betonhart. Aber eigentlich
sympathisch.
* * *
Wir nahmen die Straßenbahnlinie 7, die uns zum Neumarkt
brachte. Von dort aus war es nur noch ein Katzensprung bis zur
Cäcilienstraße, in der das Auktionshaus Jäger lag,
das inzwischen als Jäger & Beifels firmierte und dem
weithin berühmten Kunsthaus Lempertz angegliedert war.
Wir standen vor einem massiven Rollgitter.
»Mittwochnachmittag geschlossen«, las Lisa.
»Verdammt! Gerade heute! Wir haben wirklich unglaubliches
Glück.«
»Könnten wir jetzt vielleicht etwas essen?«, schlug
ich vorsichtig vor.
»Na gut. Aber ich habe kaum mehr Geld bei mir. Ich hatte
schließlich nicht damit gerechnet, bald auf der Flucht zu sein,
als mich dieser Notar angerufen hat.«
»Ich habe noch genug – von demselben Notar.« Ich
wusste nicht, ob ich Harder verfluchen oder dankbar sein sollte.
Wir gingen ganz prosaisch zu Burger King auf der
Schildergasse. Während ich in einen großen Hamburger biss,
lag Lisas Whopper unbeachtet vor ihr. Sie nuckelte an ihrer Cola und
fragte: »Was nun?«
Ich nuschelte: »Entweder wir warten bisch morgen früh
oder wir breschen die gantsche Schuche ab.«
»Wenn wir jetzt aufgeben, war alles umsonst.«
Ich schluckte den lauwarmen Bissen herunter. »Musst du nicht
bald sowieso nach Manderscheid zurück? Zur Beerdigung deines
Vaters?«
»Wenn ich da auftauche, werde ich wohl sofort
verhaftet.« Lisa sah gedankenverloren auf die Tischplatte vor
sich. Sie hielt die Hände um ihren Pappbecher gefaltet. Ihre
Augen füllten sich mit Tränen. »Er… er ist noch
in der Anatomie; es wird noch ein paar Tage dauern. Ich hoffe, bis
dahin…« Sie begann zu schluchzen. Ich streckte vorsichtig
die Hand aus und streichelte ganz zaghaft über ihre Finger. Sie
sah mich durch ihren Tränenschleier hindurch an. Versuchte ein
schwaches Lächeln. Es misslang ihr. Dann schaute sie in das
schwarze Getränk vor ihr. »Es… es ist so furchtbar.
Wenn ich nur wüsste, was passiert ist! Ich kann mit dieser
Ungewissheit nicht leben!«
Ich nahm die Hand wieder weg. Um uns herum lärmte eine
Schulklasse. »Vielleicht finden wir bald Gewissheit«,
versuchte ich sie zu trösten.
Sie seufzte, sagte aber nichts darauf.
»Die Angst vor diesen Geräuschen…«, begann
ich. »Hat sich dein Vater eigentlich mit Okkultismus und solchen
Dingen beschäftigt?«
»Ich weiß nicht…«, antwortete Lisa
unbestimmt. »Er hatte manchmal komische Vorlieben, aber sie
wechselten schnell. Hast du eine Ahnung, wo wir die Nacht verbringen
sollen?«
»In meine Wohnung in Ehrenfeld können wir nicht gehen,
weil sie bestimmt überwacht wird. Und ich habe hier keine
Freunde – niemanden, bei dem wir unterschlüpfen
könnten.«
»Mit meiner Wohnung wird es dasselbe sein«, sagte Lisa;
nun klang sie wieder gefasster. Der Tränenschleier lüftete
sich. Sie biss endlich in ihr Brötchen, das inzwischen
völlig kalt sein musste; meine Portion hatte ich bereits
vertilgt.
»Wir sind Fremde hier.« Sie starrte ins Leere.
»Eigentlich war ich immer fremd hier – in der Verbannung.
Ich würde so gern zurück in die Eifel ziehen…«
Dann sah sie mich an und bestand wieder ganz aus Pragmatismus und
Problembewusstsein. »Es wäre zu gefährlich, in ein
Hotel zu gehen, weil wir da ein Anmeldeformular ausfüllen
müssen, und wir sind sicherlich sofort verdächtig, weil wir
kein Gepäck dabeihaben.«
»Was ist mit deinem… deinem Ex-Freund?« Das Wort
wäre mir beinahe im Halse stecken geblieben.
»Er wäre wohl der Erste, der uns verpfeifen würde.
Wir haben uns nicht gerade in bestem Einvernehmen getrennt.«
»Dann bin ich mit meinem Latein am Ende«, sagte ich
resigniert.
»Da fällt mir etwas ein…«, sagte sie, nachdem
sie den letzten Schluck Cola durch
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