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Somniferus

Somniferus

Titel: Somniferus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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denn dienen?«, fragte er. Es klang gar nicht mal so
unglaubwürdig. Ob er sich auch zu dieser Freundschaftsgeste
herabgelassen hätte, wenn nur ich es gewesen wäre, der ihm
gegenüberstand?
    »Es ist eine recht komplizierte Angelegenheit«, sagte
Lisa. »Wir befinden uns auf der Suche nach einer
Handschrift.«
    »So, so, nach einer Handschrift suchen Sie. Nach einer
mittelalterlichen, wie ich annehme? Wir haben einige in unserer
Frühjahrsauktion, die in zwei Wochen stattfindet. Vielleicht
kommen Sie kurz vorher noch einmal vorbei und besichtigen das
Auktionsgut…«
    »Nein, nein«, fiel Lisa ihm ins Wort. »Wir wollen
keine Handschrift kaufen oder ersteigern, sondern suchen ein ganz
bestimmtes Buch, das Ihr Auktionshaus 1961 verkauft hat.«
    Das Grinsen des jungen Auktionators wurde breiter. »1961,
sagen Sie? Das war noch vor meiner Zeit. Außerdem haben wir das
Buch wohl nicht mehr, da Sie ja selbst sagen, dass wir es damals
zugeschlagen haben.«
    Die Ladentür öffnete sich; ein älterer, ein wenig
rundlicher Herr kam herein.
    »Ah, Herr Jäger, hier sind zwei junge Leute, die…
äh…«, wand sich der Herr im braunen Anzug und wurde
plötzlich recht klein. Herr Jäger, der offensichtlich der
Chef war, kam auf uns zu und betrachtete uns. Welch ein Unterschied!
In seinem Blick lag weder Herablassung noch Geringschätzung,
sondern nur Interesse.
    »Worum geht es denn?«, fragte er mit leicht rheinischem
Akzent. Seine Stimme klang väterlich.
    Da er zuerst mich angesehen hatte, fühlte ich mich zu einer
Antwort verpflichtet: »Wir suchen nach einer Handschrift, die
Sie im Jahre 1961 verkauft haben. Sie enthält Informationen, die
für uns… sehr wichtig sind.«
    »Um was für eine Handschrift handelt es sich
denn?«, fragte er und ließ seinen Blick dann hinüber
zu Lisa gleiten.
    »Um einen Ausonius-Text aus dem 12. Jahrhundert«,
erklärte ich. »Er muss eine Textvariante enthalten, die uns
eine ganz bestimmte Information verschaffen kann. Es ist wirklich
sehr wichtig für uns. Wir haben keine Ahnung, wie wir an diese
Handschrift herankommen können; alles, was wir mit einiger
Sicherheit wissen, ist, dass sie vor der Säkularisation im
Kloster Steinfeld aufbewahrt wurde; dann verliert sich ihre Spur
– bis zum Jahre 1961, wo sie nach dem Handbuch der
Auktionspreise von Ihrem Auktionshaus versteigert wurde.«
    Herr Jäger zwinkerte mir zu. »Da haben Sie ja gut
recherchiert, junger Mann.«
    »Ich habe den Herrschaften schon zu erklären versucht,
dass wir ihnen die gewünschten Informationen nicht geben
können«, sagte der Braune.
    »Warum denn nicht, Herr Kruse?«, sagte Jäger.
»Sind das etwa Staatsgeheimnisse?«
    »Aber, Herr Jäger«, wehrte sich der Angeredete.
    Herr Jäger beachtete seinen Angestellten nicht weiter und
sagte, nun an Lisa gewandt: »Ich glaube nicht, dass der
Käufer noch etwas dagegen hat, wenn ich seine Identität
preisgebe. Ich weiß sogar noch, wer das betreffende Buch damals
ersteigert hat. Ein solches Prachtstück kommt auch bei uns nicht
jeden Tag unter den Hammer, das können Sie mir glauben.
Außerdem war es ein sehr guter Kunde von uns. Reinhardt Lauer
war ein Experte auf dem Gebiet mittelalterlicher
Handschriften.«
    »Könnten Sie uns vielleicht seine Adresse geben?«,
fragte ich schnell.
    Jäger sah mich an; jetzt war sein Blick tadelnd. »Ich
dachte, ich hätte mich klar genug ausgedrückt.«
    Verwirrt schaute ich zu Lisa herüber.
    Sie fragte: »Er war ein Experte? Wollen Sie damit
sagen, dass Herr Lauer nicht mehr lebt?«
    Jäger nickte. »So ist es. Er ist ganz kurz nach dem Kauf
der Ausonius-Handschrift gestorben.«
    »Woran?«, wollte ich wissen.
    Jäger zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich
weiß nur, dass mich Lauers Sohn anrief und darum bat, die
Rechnung für den Ausonius nicht sofort bezahlen zu müssen,
weil es Probleme mit dem Nachlass seines Vaters gab. Wir haben seinem
Wunsch natürlich entsprochen. Das Geld ging dann einige Monate
später vollständig bei uns ein. Sein Tod muss wohl sehr
plötzlich gekommen sein.«
    Ob es Selbstmord war?, fragte ich mich. Wie bei meinem Onkel
– und wie bei Adolphi? Waren wir auf der richtigen Spur? Und
wenn ja – was würde uns für ein Schicksal erwarten?
Wollte ich das Buch überhaupt noch finden?
    »Wissen Sie zufällig, wer das Buch jetzt hat?«,
fragte Lisa.
    Jäger schüttelte den Kopf. »Bedaure, nein.
Vielleicht hat es sein Sohn noch in Besitz, vielleicht hat er es
weiterverkauft. Auf den Auktionsmarkt

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