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Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)

Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)

Titel: Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan M. Fischer
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in den See glitt. Tarabas holte noch einmal tief Luft, dann nahm er Vincent auf die Schulter. Erste Regentropfen landeten auf seiner Glatze und ein Anflug von schlechtem Gewissen machte sich in ihm breit. Hätte er sie wirklich so ignorieren müssen? Bevor er gehen würde, wollte er noch ein paar Worte zu ihr sagen. Versöhnliche Worte, und dass er sie auch nicht bei den Oberen melden würde. Doch als er sich umwandte, waren nur mehr Luftbläschen auf der Wasseroberfläche zu sehen.
     
    Mit dem Regen nahmen die blutroten Orchideen die Farbe eines Regenbogens an. Wie zauberhaft schön diese Pflanzen waren. Doch an deren Schönheit konnte sich Tarabas nicht lange erfreuen. Er hatte damit zu kämpfen, Vincent nach Hause zu bringen. Als er den Wald sehen konnte, die Heimat der Haarigen, kam sein bester Freund endlich zu Bewusstsein. Tarabas setzte ihn ab. Vincent fasste an die Wunde, die vom Regen ausgewaschen war. »Au! Das brennt wie Feuer. Was ist passiert?«
    »Lass uns erst ins Trockene«, schlug Tarabas vor und stützte Vincent, der ziemlich wacklig auf den Beinen war.
     
    Wüsste Tarabas es nicht besser, er würde denken, dass die Haarigen aufgrund ihrer Wohnvorlieben von Maulwürfen abstammen mussten. Sie gruben Gänge in Waldböden und höhlten das Wurzelwerk riesiger Bäume zu Bauen aus, die einem, höchstens zwei Haarigen als Wohnraum dienten. Um den Baumstumpf, der ihnen das Dach war, dichtete man die Erde mit Schlangenhäuten ab, um zu verhindern, dass Regen, aber auch Urin auf einen tropfte, wenn ein Wildschwein oder ein anderes Wesen gegen den Baum pinkelte. Entweder spendeten in Bernstein gefasste kleine Sonnen nötiges Licht oder Leuchtsteine. Seit Tarabas aus den Kinderschuhen gewachsen war, hielt er sich dort nicht mehr gern auf. Ihm tat nach einer Weile das Genick weh, weil er sich dort unten gebückt bewegen musste. Der Raum war zudem von Wurzeln durchästelt. Wenn er mal unachtsam war, schleifte er am Baumstumpf seine Glatze blutig. Als Schlafstätte gruben sich die Haarigen ein Loch, das sie je nach Geschmack mit Gras, Hühnerfedern oder mit Wildschweinborsten füllten, wenn man es etwas härter mochte. Seit einigen Jahren lebte die Großmutter mit in Vincents Wurzelzuhause. Wenn er unterwegs war, kümmerte sie sich um das Haustierchen Sinibaldo, einen kleinen Maulwurf, der wie eine Katze schnurren und maunzen konnte. Ihr schmeichelte es, wenn man sie die ‚Graue Haarige’ nannte, weil das eine weise Frau vermuten ließ. ‚Die Neugierige’ wäre zutreffender, so Tarabas’ Empfinden. Als die beiden eintraten, lag die Großmutter in ihrem Hühnerfedernbett, Sinibaldo hing an ihren Brusthaaren.
    »Was ist denn geschehen?« Sie setzte sich auf, den Maulwurf an sich gedrückt. Vincent ließ sich in sein Grasbett fallen, schob seine Holzschnitzereien zur Seite und Tarabas setzte sich auf eine Wurzel. Der Wind war über ihnen zu hören, wie er den Regen durch den Wald peitschte, ab und an rieselte Erde vom Gang, wenn ein Donner grollte, und nachdem Tarabas die Geschichte erzählt hatte, maunzte Sinibaldo.
    »Ich geh dann mal.« Tarabas stieß mit dem Kopf gegen den Baumstumpf und verbiss sich den Schmerz.
    »Warte mal.« Vincent zog sich an einer Wurzel hoch.
    »Maunz!« Die Graue Haarige hielt dem kleinen Maulwurf das Maul zu und drehte den Kopf etwas zur Seite, wohl um zu hören, was sich die beiden noch zu sagen hatten.
    Vincent klopfte auf Tarabas’ Schulter. »Du bist mir nachgesprungen.«
    »Wäre es ein Ungeheuer gewesen, wären wir jetzt tot.«
    »Mmmmz.«
    »Du bist mir nachgesprungen. Nur das zählt.«
    Tarabas wollte nun wirklich für sich allein sein, musste noch einige Zauber lernen oder seine Ziele überdenken. Auch wenn Vincent da ein klein wenig Größe erkannt haben wollte, sah Tarabas in seiner Aktion nichts weiter als das vergeudete Handeln eines Schwächlings.
     
    Er schlenderte durch den Regen und vergrub die Hände in den Hosentaschen, als wollte er sich beweisen, wie gleichgültig ihm das Unwetter war. Mit dem Blitz wirkte der Nachthimmel für einen Moment wie ein schwarzes Blatt Papier, das man in der Mitte zerriss.
    Du bist mir nachgesprungen. Dieser Satz tönte gebebtsmühlenartig in seinem Kopf, als wollte er ihm dadurch etwas sagen. Eine Botschaft. Du bist mir nachgesprungen. Tarabas grübelte, während das Regenwasser in seinen Augen brannte. Zu mehr bist du nicht in der Lage! War es das, was hinter Vincents Worten stand? Du bist mir nachgesprungen … mehr hätte ich

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