Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
entwickeln. Die Taube verschwand hinter den Reifen eines parkenden BMWs und Sebastian rieb sich ein Sandkorn aus dem Auge. Keine zehn Meter weiter musste er wieder an Linda denken. Er kramte sein Handy aus der Hosentasche und wollte sie anrufen. Der Drang, sie zu hören, war sehr stark. Erst da sah er, dass er eine neue SMS bekommen hatte.
Melissa hatte ihm geschrieben. Dass sie sich auf den Film freute und sie pünktlich sei. Nein, er konnte Linda jetzt nicht anrufen. Das würde ihn durcheinander bringen und damit würde er Melissa garantiert den Abend verderben. Er steckte das Handy zurück und sah von Weiten das Cinecitta in die Nacht leuchten. Tom Cruise ver¬sprach immer gute Unterhaltung. Einmal kräftig durchgeatmet und schon ging es wieder.
Ein verführerisches, kleines Teufelchen, dachte er, als er Melissa vor dem Kinoeingang entdeckte. Ihren Körper betonte sie mit einem trägerlosen, feurigroten Stretchkleid, ihr Handtäschchen drückte sie gegen die Seite. »Hallo Sebastian.«
»Hallo.« Er betrachtete sie anerkennend. »Wow, du sieht ja Hammer aus.«
»Danke.« Sie begrüßten sich mit einer Umarmung. Als ihm ihr Parfüm in die Nase stieg, musste er den Duft in sich aufsaugen. »Und du riechst so gut.«
»All That Matters von Anamor, mein Lieblingsparfüm. Das trag ich nur zu besonderen Anlässen«, ließ sie ihn wissen, während sie mit ihrem Handtäschchen spielte.
Der Duft, ihre Stimme, ihr reizendes Aussehen – in ihm breiteten sich schöne Gefühle aus. »Komm, gehen wir rein.« Er hielt ihr die Tür auf und zog einen Zettel aus der Hosentasche, auf der die Reservierungsbestätigung stand. Sie kramte in dem Handtäschchen und holte ihren Geldbeutel heraus.
»Hey«, sagte er. »Du bist natürlich eingeladen.«
»Aber ich bin dir doch etwas schuldig …«
Sie war wirklich süß, Linda ging immer davon aus, dass er sie einladen würde. »Steck das Geld zurück.«
Nur zögernd schob sie den Geldbeutel wieder ein. »Dafür zahl ich die Nachos.«
Natürlich zahlte er auch die Nachos, da ließ er nicht mit sich reden.
Im Kino dachte er daran, dass er einen Pärchensitz hätte reservieren sollen, schließlich hatte er wirklich Lust, ihr ganz nahe zu kommen. Der Film war kurzweilig, die Nachos lecker, ihre Nähe sehr ange¬nehm. Sie zählte nicht zu denen, die gackerten oder jede Szene kom¬mentieren mussten.
Als sie den Saal verließen und Melissa die Plastikschälchen der Nachos auf die Ablage für den Abfall abstellte, fiel ihm auf, dass er an Linda kein einziges Mal gedacht hatte.
»Der Film war toll«, sagte Melissa und er konnte ihr nur zustimmen. Nebenbei machte er sein Handy an. Eine gewisse Nervosität war zu spüren, weil Linda vielleicht mittlerweile eine SMS geschrieben haben könnte oder versucht hatte, ihn anzurufen.
»Alles in Ordnung?«, fragte Melissa.
»Ja. Alles gut.« Er versuchte ein Lächeln, spürte aber, wie seine Mundwinkel verkrampften. Momente später wusste er, dass sich Linda nicht gemeldet hatte. Er konnte wieder freier sein, auch wenn ihn das natürlich betrübte. Auf dem Weg aus dem Foyer war er unschlüssig, was er nun noch mit Melissa anstellen sollte. Mit ihr noch den Abend verbringen, am Wöhrder See entlangspazieren, sich mit ihr in einer Bar ein Gläschen Wein gönnen? Oder doch nach Hause gehen und hoffen, dass ihm Linda vielleicht eine E-Mail geschrieben hatte. Als ihm die Möglichkeit in den Sinn kam, dass sie vor seiner Tür stehen könnte und auch diese Nacht bei ihm schlafen möchte, war seine Entscheidung gefallen.
»Vielleicht wiederholen wir das mal wieder«, sagte er zu ihr, nach¬dem sie das Cinecitta verlassen hatten.
»Ja, würde mich freuen.«
»Hast du es weit nach Hause?«
»Nein. Zwei Ecken weiter.«
Er spürte, dass sie ein bisschen mehr erwartet hatte, aber er wäre ruhelos. »Okay. Gut. Ich muss dann auch.« Sie verabschiedeten sich und er lief nach Hause.
Niemand stand vor seiner Tür. Schnell schloss er auf, eilte in sein Büro und machte den PC an. Drei neue Nachrichten, davon waren zwei Spams und eine GMX-Werbemail. Obwohl er sich stets geweigert hatte, sich bei der Chatplattform anzumelden, wo sich Linda herumtrieb, musste er sich dieses Mal registrieren. Nach gefühl¬ten tausend Klicks stieß er endlich auf ihr Pseudonym. Er klickte darauf, und als er sah, dass sie online angezeigt wurde, fingen seine Hände an zu zittern. Chatten konnte sie, diese blöde Kuh. Er hatte so einen Hass auf sie, weil er ihr so
Weitere Kostenlose Bücher