Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
Asphalt auf, ihre Beine gaben nach und sie sackte auf die Knie. Zwischen ihren Händen lag ein Kieselstein. Ein Blick zur Seite, auf seine Turnschuhe. Das Rot war verdreckt und ausgebleicht, Grashalme hingen daran. Sie sah weiter zu ihm auf. Die alte Hose mit den Harzflecken kam ihr bekannt vor. Ein ausgeleiertes Hemd, und schon wusste sie, wer er war, noch bevor sie ihm ins Gesicht gesehen hatte: Martin. Der Förstergehilfe.
Sie erinnerte sich an seinen einparfümierten Brief, an den Traum, den er damit hervorgerufen hatte, an die Situation im Park, wo sie auf Vlados Schoß gesessen und Martin vor der Bank gestanden hatte, bis ihn Vlado davonjagte.
Er sah sie an, hasserfüllt. Seine Nasenflügel bebten, und seine Locken standen ihm wirr vor den Augen. Sie strich über ihre Oberlippe und zuckte schmerzgerührt zusammen.
»Was hab ich dir getan?«, wimmerte sie und starrte auf den Finger mit den getrockneten Blutresten. »Was willst du?«
»Was ich will?« Er trat ihr in die Seite, dass sie umkippte und mit dem Rücken gegen die Mauer stieß. Sie stöhnte auf, fasste nach dem Kieselstein und warf ihn gegen sein Bein. Er stampfte ihr auf die Taille.
»Hör auf damit!« Sie rollte sich zusammen, während sie das Gefühl hatte, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Er ging einen Schritt zurück, holte mit dem Fuß aus und trat ihr in die Seite, zweimal, dann verlor sie das Bewusstsein.
***
Havel schlich die Seitengasse entlang, konnte nicht sagen, was ihn eigentlich trieb. Neugier? Das Gewissen? Was konnte er schon tun?
Von Weitem sah er die türkisfarbene Brücke.
Dass sie die in der Nacht so ausleuchten? Dafür haben sie Geld, und unsereins muss sich allein durchs Leben schlagen, dachte er, als er eine Stimme hörte.
»Du blöde Schlampe!«
Havel ging langsamer. Da waren sie, da vorn. Er konnte die Umrisse des Mannes ausmachen und blieb stehen. Die Frau lag auf dem Boden, und er trat auf sie ein.
Der spinnt doch, der bringt sie noch um. Was soll ich machen? Warum musste ich ihnen auch nachgehen, ich Trottel?
Wieder trat der Verrückte in die Seite der Frau, die sich nicht regte. War sie tot?
Hör auf, wollte Havel schreien, aber das könnte böse enden für ihn. Er duckte sich, ging drei Schritte rückwärts.
Ein Kieselstein schleifte unter seinen Schuhen. Der Verrückte blickte in seine Richtung. Jetzt bloß keine Bewegung. Havel schluckte. Gott sei Dank, er hatte ihn nicht gesehen.
Der Mann zog die Frau hoch, packte sie auf seine Schulter und ging weiter Richtung Brücke.
Das mit dem Verfolgen spare ich mir, dachte Havel. Die Polizei verständigen, das wäre das Gescheiteste. Aber die glauben mir kein Wort.
Havel knabberte an seinen Fingernägeln und spuckte den Dreckge-schmack gegen die Gassenmauer. Ach Scheiße Mann, es ist mir egal, es hätte mir vorhin schon egal sein müssen. Die Welt ist schlecht und ich kann es nicht ändern, basta.
Er schlenderte zurück zu seinem Lumpenhimmelbett und wollte im Gehen die Gedanken abschütteln, das Ganze vergessen.
Die Papierknäuel lagen verstreut, ein Spiel des Windes, und, was noch ärgerlicher war: Die Wodkaflasche war wieder umgekippt. Die Hälfte aus dem schlecht verschraubten Verschluss gesickert. Na toll! Havel trat gegen den Container, da wischte blaues Licht am Stahl und der Mauer vorüber, und noch einmal. Er sah sich um. Ein Polizeiwagen stand am Ende der Gasse und ein Mann kam auf ihn zugelaufen, der nicht aussah wie ein Polizist.
»Hey, du da!«
»Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?«
»Eine Frau ist entführt worden!«
***
Alena lag auf dem Boden, bäuchlings. Der Schmerz pochte im Kopf und im Bauch. Kühle Luft kitzelte ihre Stirn, auch den Hals. Es rauschte unter ihr. Quälend langsam öffnete sie die Augen, es dauerte, bis sie sich an das Licht gewöhnten. Die Welt drehte sich, Alena wusste nicht, wo oben und unten war, dann ließ der Schwindel nach. Sie lag auf Holz¬bohlen mit fingerdicken Spalten. Alena konnte durch die Schlitze einen Fluss erkennen, die Apolena, und dass sich Laternenlicht im Wasser¬strom reflektierte. Ein Krampf im Daumen, Alena spreizte die Finger. Splitt rieb an ihrer Haut, brannte. Was war passiert? Alena sah auf, starrte auf das Geländer und entdeckte einen Kaugummi, der an dem Stahl klebte. In der Ferne heulte eine Polizeisirene. Dann hörte Alena ein Geräusch am Ende der Brücke. Da! Eine Gestalt. Martin? Er kam schnell näher. Sie legte den Kopf ab und stellte sich bewusstlos. Der
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