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aus dem Fenster und hing seinen Gedanken nach. Kröger schien es, als wäre es mehr die Seele, die schmerzte, als das Bein. Doch er wollte ihn nicht stören und so schwieg auch er. Vollert hatte zu tun, sich auf den Verkehr zu konzentrieren, die schmale Allee verlangte wieder seine ganze Aufmerksamkeit.
Beim Aussteigen brummelte der Alte einen Gruß und schlurfte langsam ins Haus.
20 Minuten später telefonierte Kröger mit der Staatsanwaltschaft. Er informierte seinen Vorgesetzten und die Bergung des LKWs wurde für Donnerstag angesetzt. Die Taucher der Feuerwehr würden sie unterstützen.
19
Mittwochmorgen klingelte das Telefon im Büro und Dr. Brauner meldete erste Erfolge, was das Notizbuch betraf.
Kröger und Vollert stürmten mehr die Treppe hinunter, als dass sie gingen.
Sie antworteten nicht einmal dem entgegenkommenden Kollegen, der sie mit »Brennt’s bei euch im Dritten?« begrüßte und ihnen verdutzt nachschaute.
Vor dem Labor angelangt, mussten sie erst einmal kurz Luft holen, bevor sie läuteten. Dr. Brauner öffnete ihnen persönlich.
»Na, dann kommt mal rein. Ich habe vielleicht was für euch.«
»Wenn du rufst, dann hast du was im Köcher.« Kröger schmunzelte.
»Viel ist es noch nicht, aber ich dachte mir, es könnte euch weiterhelfen.«
Sein Büro sah wie immer klinisch steril aus. Bis auf das Familienfoto auf dem Schreibtisch gab es keine persönlichen Dinge, die Aufschluss über den Nutzer des Raumes geben konnten.
»Wir haben die ersten Seiten aus dem Notizbuch entziffert.« Er verbesserte sich: »Vielmehr die ersten und die letzten Seiten kann ich euch präsentieren sowie einige wenige aus der Mitte.« Er schaute in die Runde, als erwartete er Beifall für seine Ankündigung.
Kröger und Vollert wussten, was sie ihm schuldig waren, und ließen ihrer Begeisterung freien Lauf.
»Das ist ja ein Ding! Wie habt ihr das geschafft?«
»Ihr seid Zauberer! Ich sag es immer wieder. Ihr seid Zauberer.«
Dr. Brauner strahlte.
»Nun hört mal auf. Ich werd’ sonst noch rot.« Er machte eine beschwichtigende Geste mit der rechten Hand, während die linke mehrere Blatt Papier vom Schreibtisch zog. »Also, wie gesagt, es ist nicht viel. Dass es sich um ein Notizbuch handelt, brauche ich euch ja nicht mehr zu sagen. Der Verfasser hat sehr viel mit Abkürzungen gearbeitet. So schreibt er«, er blickte auf eines der Blätter, »›120 Mü-Au, 1Ti, 1Gr-Sta ‹. Das ist ein Eintrag vom 8.12.1939. Könnt ihr mit diesen Abkürzungen etwas anfangen?« Kröger und Vollert blickten sich verständnislos an.
»Eventuell ein Code?«, probierte Vollert.
»Aber die Einträge sind mit Datumsangaben versehen?«
Dr. Brauner nickte. »Ja. Was auffällt: Es gibt kein zeitliches Muster. Diese Eintragungen sind unregelmäßig. Für den 12.7.1942 schrieb er, wartet mal …«, Dr. Brauner blätterte kurz, um die betreffende Stelle zu finden, »hier! ›4Ik, 1Re, 1Cr‹ . Es sind immer Zahlen und Buchstaben.«
»Ist das ganze Notizbuch so verschlüsselt?« Krögers Frage klang enttäuscht.
»Nein. Manches ist auch offen geschrieben. So wie am 20.7.1942, da steht: ›Arge Transportprobleme, mehr als erwartet, Bestandsaufnahme langwierig, kein Urlaub‹.«
»Das ist ja wenigstens verständlich. Mit welchem Eintrag beginnt denn das Buch?« Vollert war aufgestanden und versuchte, einen Blick auf die Papiere zu werfen.
Dr. Brauner las laut vor: »›19.10.1939. Endlich geht es los, Vorarbeit ausgezeichnet, gute Organisation‹.«
»Was meinte er mit diesen Brocken, warum schrieb der Mensch nicht in ganzen Sätzen? Diese Fragmente bringen uns doch auch nicht viel weiter!«
»Da bin ich anderer Meinung.« Auch Kröger hatte sich erhoben. »Denk daran, es war sein Tagebuch, und ein Tagebuch dient den meisten als Erinnerungsstütze.«
»Oder als guter Freund, dem man alles anvertrauen kann«, unterbrach ihn Vollert.
»Richtig!« Kröger nickte zustimmend. »Aber ich glaube nicht, dass von Schleyersdorf, wenn das Tagebuch von ihm stammt, und daran sollten wir nicht zweifeln, keine Vertrauten hatte und in einem Tagebuch psychischen Druck abbauen musste. Die Angaben von Tag, Monat und Jahr sowie die verschlüsselten Notizen lassen mich eher glauben, er brauchte dieses Notizbuch als reine Erinnerungsstütze. Wir sollten versuchen, die Datumsangaben mit persönlichen Daten und geschichtlichen Zusammenhängen zu vergleichen. Vielleicht ergeben sich da Parallelen?«
Vollert überlegte einen Moment. »Wir wissen, er
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