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Titel: Sonderauftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. Heidenreich; T. Trczinka
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verkehrte mit den von Schleyersdorfs, das ist allerdings interessant!« Dr. Neumann schnalzte mit der Zunge. »Entschuldigung!« Erschrocken hielt er sich die Hand vor den Mund. »Aber ich glaube nicht, dass von Schleyersdorf Kunsträuber war.«
    »Sondern?« Kröger hakte nach.
    »Ich nehme an, er war in einer Sondereinheit, die an der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten beteiligt war.«
    »Da bin ich anderer Meinung«, warf Ewa Bednarek ein.
    Kröger schaute von einem zum anderen.
    »Können Sie Ihre Annahme begründen?« Er hatte sich an Dr. Neumann gewandt.
    »Kann ich! Alle Kunsträuber waren sehr gut organisiert. Egal, für wen und unter welchem Befehl sie dienten. Dass dabei jemand Kunstwerke für sich abzweigte, halte ich für fast ausgeschlossen. Es wurde alles mit deutscher Gründlichkeit protokolliert. Die Chancen, etwas privat abzustauben, waren bei anderen Sondereinheiten viel größer. Wer wusste schon genau, was ein jüdischer Kaufmann sein Eigen nannte? Aber der Bestand eines Museums, der war bekannt.« Er war bei diesen Worten langsam auf und ab gegangen.
    »Und Sie sind anderer Meinung?« Kröger musterte Frau Dr. Bednarek.
    »Ja, bin ich!« Sie machte einen sehr ernsten Eindruck.
    »Warum?«
    »Weil bestimmte Kunstwerke unseres Fundes tatsächlich aus Museen stammen, und zwar aus polnischen. Dazu kommen die Kirchenschätze. Die Daten, die wir von Ihnen bekamen, sprachen für beide Annahmen, aber die gefundenen Objekte lassen mich, im Gegensatz zu meinem Kollegen, nicht an den Judenverfolger glauben.«
    »Es befanden sich auch jüdische Kultgegenstände unter den gefundenen Objekten.« Dr. Neumann wies auf den Tisch, wo die Fotos der gefundenen Objekte lagen.
    »Richtig!« Ewa Bednareks Augenbrauen zuckten nach oben, als sie sprach. »Bedenken Sie die Bildung des Mannes. Er hatte Kunst studiert und das sollten wir nicht außer Acht lassen. Ebenso wenig seine Bekanntschaft mit Göring, den Sie ja selbst als einen der größten Kunsträuber bezeichneten.« Sie nickte Dr. Neumann zu. »Und dann die Funksprüche. Wir können wohl annehmen, dass irgendetwas verbracht und versteckt wurde. Was und wohin, wer weiß? Vielleicht Kunstwerke?«
    »Oder Akten, eventuell auch geheime Waffen. Sie sehen also, auch wir haben mehr Fragen als Antworten.« Dr. Neumann seufzte kurz und lächelte dann seine Kollegin an. »Ich kann nur hoffen, wir finden die Antwort irgendwann.«
    »Das hoffe ich auch. Ich habe mit meinen Kollegen in Krakau und Warschau telefoniert. Man schaut in den Archiven nach, ob dort der Name von Schleyersdorf auftaucht oder irgendetwas über diese ›Aktion Grün‹.«
    »Genau! Ich wandte mich an das Bundesarchiv und an die Zentralstelle zur Aufklärung von Naziverbrechen, aber eine Reaktion steht noch aus.«
    »Man müsste die russischen Archive einsehen können!«
    »Meinen Sie, da könnte die Lösung zu finden sein?«
    Ewa Bednarek zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? Manche Frage würde geklärt werden. Ich glaube, ein Land allein kann nicht die Antworten auf alle Fragen haben. Man sollte mehr zusammenarbeiten, europäischer, wenn Sie mich fragen.«
    Dr. Neumann stimmte zu. »Manches könnten wir so schneller und besser lösen. Übrigens, wir hatten am Freitag Ausstellungseröffnung. Ich glaube, das könnte Sie interessieren. Immerhin hat es indirekt mit unserem Problem zu tun.« Er blickte in die kleine Runde, und als niemand einen Einwand äußerte, fuhr er fort: »Dann kommen Sie doch bitte mit.«
    Er öffnete die Tür und ging voran in Richtung Ausstellungssaal. Dort besichtigte gerade eine Schulklasse die Exponate. Auffallend war die Stille, die herrschte. Kein Toben, kein lautes Wort hallte in dem Raum, aufmerksam studierten die Jugendlichen die Tafeln mit den Fotos und Erläuterungen.
    »Hier, schauen Sie«, Dr. Neumann ging zu einer Wand, »Stralsund hatte im November 1939 74 Einwohner jüdischen Glaubens, so der Kantor der Synagogengemeinde. Dazu kamen die Bürger, die laut Rassengesetz als jüdisch eingestuft wurden. Mindestens 36 von ihnen wurden 1940 in das Getto Lublin deportiert. Im Oktober 1938 lebten 20 jüdische Geschäftsinhaber in Stralsund, 1941 waren es nur noch zwei. Und nur noch neun weitere jüdische Namen sind in der Einwohnerkartei verzeichnet. Die fünf männlichen Bewohner wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet und 1943 in das KZ Auschwitz gebracht. Bis auf einen starben dort alle. Die Frage, die sich mir stellt: Wo blieben ihre Sach-

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