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chauffiert. Ich fuhr Besorgungen, Holz und so’n Kram. Ausfahrten waren ganz selten und Göring hatte seinen eigenen Wagen mit Chauffeur. Wie sollte ich da was mitkriegen?«
Er griff zur Zündholzschachtel und Kröger beeilte sich daraufhin, das Gespräch zu beenden.
»Kommen Sie, Herr Fenske. Wir müssen!«
Der Mann rieb sein Knie und erhob sich.
Im Auto überließ Kröger ihm den Beifahrersitz. Dankbar streckte der Alte das steife Bein von sich. Auf der Fahrt war er ruhig und in sich gekehrt. Als sie ins Dorf einfuhren, musterte er neugierig die Häuser. Die wenigen Bewohner, denen sie begegneten, grüßte er.
Vollert parkte unter der Ulme wie beim letzten Mal. Langsam gingen sie in Richtung See. Im Schloss wurde wieder gearbeitet. Die Staatsanwaltschaft hatte die Freigabe erteilt.
Der alte Fenske lief langsam voran. Er zeigte vor ihnen auf den Weg.
»Schauen Sie, hier standen früher Bäume. Der Herbststurm hat einen davon umgerissen, einen anderen schwer beschädigt. Der alte von Schleyersdorf ließ sie fällen und den Weg verbreitern. Er wollte bei der damaligen Ernährungslage in die Fischzucht einsteigen. – Deutschland wird bombardiert und der denkt an Fischzucht!«
»Glaubte er an den Endsieg?«
»Oh ja, Herr Vollert! Der war Nazi bis zum letzten Tag!«
Der See leuchtete silbern blinkend zwischen den Bäumen hervor.
Der Weg machte einen ungepflegten Eindruck. An manchen Stellen stand das Unkraut hüfthoch. Vorsichtig schoben sie sich hindurch. Nach einigen Metern wurde das Dickicht schütterer und sie konnten etwas schneller ausschreiten.
Zielstrebig führte der alte Fenske sie. Er ging direkt zum Ufer und zeigte dann vor sich.
»Hier! Hier unten liegt der Laster.«
Kröger und Vollert blickten auf die Wasseroberfläche. Nichts deutete darauf hin, dass einige Meter von ihnen entfernt ein LKW lag, der wahrscheinlich ein Geheimnis barg.
Vollert ging ein Stück zurück und schnitt mit dem Taschenmesser einige Zweige von einem Busch. Mit diesen markierte er unauffällig die Stelle, die ihnen der Alte gezeigt hatte.
Fenske wandte sich an Kröger. »Werden Sie ihn wieder raufholen?«
»Ich glaube schon.«
»Das ist gut!« Der Alte griff in seine Joppentasche, zog die Pfeife hervor und Sekunden später roch es wieder nach verbranntem Laub.
»Sagen Sie mal, was für ein Kraut rauchen Sie da?« Kröger schnüffelte mit der Nase in der Luft wie ein Jagdhund.
»Gefällt Ihnen der Duft?« Der Alte grinste.
»Um ehrlich zu sein, nein!«
»Da wären Sie auch der Erste. Was ich hier rauche, ist meine Spezialmischung. Kirschblätter, Huflattich und schwarzer Krauser. Ein Russe hat mich darauf gebracht, gleich nach dem Krieg. Ist billig und schmeckt. Müssen Sie auch mal probieren. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen was abgeben.«
Er griff in die Tasche und zog die Blechschachtel mit dem Tabak hervor.
Kröger hob abwehrend die Hände. »Danke, aber ich bin Nichtraucher!«
»Ach so, aber trotzdem nett, dass Sie sich für mein Rezept interessieren.« Er ließ die Schachtel wieder in die Tasche gleiten. Schmauchend stieß er den Rauch aus.
Vollert, der diesen Geruch zum ersten Mal miterlebte, zog die Nase kraus.
Auf dem See drehte ein Schwan seine Runden, in Ufernähe schwamm ein Blesshuhn. Nichts deutete auf die Tragödie hin, die sich hier vor 50 Jahren abgespielt hatte.
Langsam machten sie sich auf den Rückweg. Am Schloss deutete Fenske auf den Dienstboteneingang.
»Da hat er gestanden, der Laster, und dort drüben haben wir gewohnt.« Seine Hand zeigte in die entsprechende Richtung. Aus dem Schloss drang Gepolter. Ein junger Mann sprang die Stufen der Eingangstreppe herunter, lief zu einem Kleintransporter und ging, mit mehreren Kabelrollen beladen, den Weg zurück. Die Aufschrift am Transporter wies auf eine in Stralsund ansässige Elektrofirma hin. Es ging mit dem Umbau voran.
»Was mich wundert«, Vollert sprach mit dem alten Fenske, »trotz Ihres Beines gehen Sie nicht am Stock?«
Der Alte nickte. »Stimmt! Ein Stock ist was für alte Leute, dachte ich früher. Außerdem hab ich gern meine Hände frei, aber wenn es so weitergeht, dann werde ich ihn benutzen. Das Ding steht seit drei Jahren bei uns zu Hause. War ein Geschenk meiner Tochter.«
Er legte den Kopf in den Nacken und schaute an der Fassade empor. Abrupt wendete er sich ab und sagte: »Können wir? Mein Bein schmerzt heute aber wieder bannig.«
Die Fahrt verlief schweigend. Der alte Fenske schaute mit schwermütigem Gesicht
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