Sonderauftrag
identisch!«
Die beiden verglichen die Unterschriften und stimmten Kröger zu.
»Dann ist Ihre Annahme ja richtig gewesen, Ewa!« Kröger legte das Soldbuch wieder zurück.
»Vieles spricht für eine Mitgliedschaft in einem Sonderkommando, das sich mit Kunstraub beschäftigte. Nehmen Sie sein Studium, die Reisen vor dem Krieg und seine Dienstzeiten. Ich kann nicht glauben, so wie Dr. Neumann, dass von Schleyersdorf einem Kommando angehörte, welches Juden verfolgte. Obwohl man beides im Zusammenhang sehen sollte«, schloss sie nachdenklich. »Wenn ich Ihnen jetzt vor meiner Abreise noch mit dem Notizbuch weiterhelfen könnte, dann wäre ich froh.«
»Sie wollen abreisen?«, fragte Kröger erstaunt und auch Vollert blickte überrascht drein.
»Ich muss, meine Herren! Am Sonnabend werde ich fahren. Eine genaue Recherche bezüglich der gefundenen Objekte kann ich am besten von Polen aus leiten.«
»Schade.« Vollerts Stimme klang traurig.
»Ach, ich bin doch nicht aus der Welt. Sie kommen nach Krakau und ich bestimmt noch öfter nach Deutschland. Dann können wir uns wiedersehen.«
Sie lächelte.
Kröger stimmte ihr zu. »Ist doch heute keine Entfernung mehr. Von Stralsund nach Krakau sind es wie viele Kilometer?«
»So um die 860«, wusste Ewa.
»Na, siehste! 860 Kilometer. Das ist doch zu schaffen.« Kröger hob seine Kaffeetasse.
»Na, dann! Auf Krakau!« Vollert prostete zurück. »Ich merke, deine Laune hat sich gebessert. Würdest du uns verraten, warum du vorhin so grantig warst?«
Kröger deutete auf die mitgebrachte Tageszeitung. »Seite 3!«
»Wir sind nicht auf Seite 1?« Vollert nahm die Zeitung.
»Auf Seite 1 ist ein Bericht vom Phantom!«
»Welches Phantom?«
»Das gestern die Sparkasse Velgast überfallen hat.«
»Tolle Sache, was?« Schneider kam zeitungschwenkend ins Büro gestürmt.
»Was soll daran so toll sein? Da überfällt jemand kurz vor Feierabend die Filiale der Sparkasse, es gibt nur widersprüchliche Zeugenaussagen, der Typ entkommt mit über 23.000 Mark und Kollege Schneider findet das toll! – Guten Morgen erst mal!« Vollert war laut geworden. Heftig schlug er die Zeitung auf. Was er las, besserte seine Laune nicht.
Ewa trank ihren Kaffee. Sie hatte wie fast alle Frauen einen sechsten Sinn dafür, wann frau etwas sagen sollte und wann nicht. Vollerts Miene wurde immer düsterer.
»Dieses falsche Aas«, quetschte er leise hervor.
»Meinst du etwa mich?« Schneider war abrupt vor seinem Schreibtisch stehen geblieben.
»Quatsch! So interessant bist du nun auch wieder nicht. Ich meine den Journalisten, der gestern die Bergung des Lasters beobachtet hat.«
»Darf ich?« Ewa nahm Vollert, ohne eine Antwort abzuwarten, die Zeitung aus der Hand und überflog den Artikel. Zwei Fotos ergänzten den Text. Auf einem waren deutlich der Laster und die zwei Kisten zu sehen. Das andere zeigte Ewa.
Die Bildunterschrift lautete: ›Polnische Kunsthistorikerin überwacht Bergung von Kulturgütern – Droht diesen das gleiche Schicksal wie der berühmten Berlinka-Sammlung?‹
Der Artikel war in drei Teile gegliedert. Im ersten wurde von dem Fund berichtet, der zweite Teil widmete sich der Verbringung von Kunstschätzen im Zweiten Weltkrieg und im dritten Teil wurde die Anwesenheit einer polnischen Kunsthistorikerin als Affront gewertet sowie auf ehemalige deutsche Kunstwerke eingegangen, die sich heute in polnischem Besitz befanden. Der Verfasser war sehr gut informiert. Er wusste von dem Tizian und kannte die genaue Anzahl der Kisten und deren Inhalt. Aufmachung und Wortwahl des Artikels waren reißerisch und zum Ende zu unterstellend. Auf Ewas Stirn bildete sich eine Zornesfalte.
Kröger trat zu ihr. »Wir können uns nur entschuldigen für diesen Schmierfinken.«
Sie ließ die Zeitung sinken. »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Bei uns in Polen ist die Presse nicht anders. Zeitung ist Business, hartes Business. Mich ärgert nur, wie er schreibt, so hetzend, und dann die Interna …«
»Stimmt! Er weiß sehr gut Bescheid und er kündigt eine Fortsetzung an. Ich glaube, ich werde mich mit dem Verfasser dieses Pamphlets mal unterhalten müssen.« Kröger griff zum Telefon.
»Meinetwegen brauchen Sie nicht zu telefonieren, Herr Kröger.« Ewa hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Resolut sah sie jetzt aus und erinnerte ihn an seine Frau, wenn diese sich durchzusetzen versuchte – was ihr ja meistens auch gelang. Vorsichtshalber ließ er den Telefonhörer wieder los.
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